Topchter der Köingin Tess 1
Schwert sein musste. Er hielt meine Hand ganz sacht, als könnte er sie zerbrechen. »Eine Frau, die so selbständig denkt, ist ein Gewinn für ihr Königreich«, entgegnete Garrett, und seine Stimme vermischte sich mit dem Vogelzwitschern, als gehörte sie hierher. »Es ist mir eine Freude, Eure Bekanntschaft zu machen, Euer Hoheit – ganz gleich unter welchen Umständen.«
Ich errötete und war froh, dass er anscheinend nicht beleidigt war, weil ich den offiziellen Werbungsplan durcheinandergewirbelt hatte. »Es ist mir eine Ehre, Prinz Garrett«, entgegnete ich förmlich. »Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise.« Die erwarteten Floskeln gingen mir glatt über die Lippen, eine gut eingeübte Litanei. Seine Nase war schmal, und er hatte fesselnde grüne Augen. Meine Eltern hatten beide blaue Augen, und Augen wie seine hatte ich noch nie gesehen. Sie waren wunderschön, und ich konnte den Blick nicht davon abwenden.
Wie es die Tradition verlangte, streifte Garrett meinen Handrücken mit den Lippen. Ich lächelte, spürte dem uralten Versprechen hinter dieser einfachen Geste nach und genoss die Empfindung, die mich durchfuhr. »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite«, sagte er. Seine Stimme war recht tief, seine Aussprache elegant. »Nun, da ich Euch gefunden habe, verblassen die Mühen der Reise bereits zu einer fernen Erinnerung. Es freut mich sehr, feststellen zu können, dass die Schilderungen Eurer Schönheit eher untertrieben waren. Aber weshalb ließet Ihr den Porträtmaler Euer Haar glatt malen? Die Locken stehen Euch so gut.«
Ich erwiderte sein Lächeln und war froh zu sehen, dass er Sinn für Humor hatte. Meine Locken glatt malen, sehr schön. Aufregung durchfuhr mich bis in die Zehenspitzen, stieg wieder auf und hinterließ dabei eine Gänsehaut. Dies soll mein Ehemann werden? Ach, wie schrecklich ist es doch, eine Prinzessin zu sein … »Bitte nennt mich Tess«, sagte ich und vermutete, dass mein Gesicht rot angelaufen war. »Das Leben ist zu kurz, um hinter Palastmauern auf Förmlichkeiten zu bestehen.«
Garrett fragte meine Mutter höflich mit einem Blick um Erlaubnis, ehe er zustimmend den Kopf neigte. »Dann also Tess«, sagte er. »Ich würde mich freuen, wenn auch Ihr mich beim Vornamen nennen wolltet.«
»Garrett«, entgegnete ich. »Natürlich.« Da der offizielle Teil nun beendet war, geleitete Garrett mein hämmerndes Herz und mich zum Tisch. Die Anspannung ließ ein wenig nach, da wir nun auf die höfischen Manieren verzichten konnten.
Ich warf im Vorbeigehen einen Blick auf die unvollendete Partie Diebe und Könige auf der Mauer des künstlichen Teichs. Vater hatte endlich Bewegung in seine Spielfiguren gebracht und einen seiner Ritter an eine gefährliche Position gesetzt; er wollte mich in Versuchung führen, die Deckung meines Königs abzuziehen. Ich blieb stehen, so dass auch Garrett anhalten musste, und nahm Vaters Herausforderung an, indem ich seine Figur schlug – in der Hoffnung, dass es mir gelingen würde, meinen Dieb wieder in Sicherheit zu bringen, ehe sein zweiter Ritter seine Drohung wahr machen konnte. Mein Vater gab einen Laut der Überraschung von sich, als ich den schwarzen Ritter an den Rand stellte.
»Eure Prinzessin ist bedroht«, flüsterte Garrett, als er mir den Stuhl zurechtrückte.
Meiner Hoffnung wuchsen Flügel. Er spielte Diebe und Könige! »Ja«, murmelte ich. »Aber wenn er sie schlägt, habe ich in vier Zügen seinen König.«
»Raffiniert«, hauchte er mir ins Ohr und machte mich damit noch nervöser. Ein leichtes Zittern breitete sich in mir aus. Und es gefiel mir, wie er die Hand auf der Rückenlehne meines Stuhls ruhen ließ. Gegen diese besitzergreifende und zugleich beschützende Geste hatte ich im Augenblick nichts einzuwenden. Ich wusste, dass ich mich schlimmer aufführte als die Küchenmagd, die den Blick eines Edelmanns auf sich gezogen hat, aber ich konnte nicht anders. Du meine Glöckchen, er gefiel mir so gut.
»So«, brummte Vater und blieb neben Garrett stehen. »Ist das nicht herrlich? Wie ein Sommertag in der Bucht.«
Ein unbehagliches Schweigen drohte, und meine Mutter sprang anmutig ein, um es zu verhindern. »Tess?«, begann sie, ruhig und gefasst trotz meines schweren gesellschaftlichen Fehltritts. »Wir haben gerade die vorgeschlagenen übergaben besprochen. Möchtest du sie sehen?«
Sogleich wandte ich meine Aufmerksamkeit der Karte auf dem Tisch zu. Garrett mochte mich durcheinandergebracht haben, doch es interessierte
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