Topchter der Köingin Tess 1
lassen.
Kavenlow führte mich in eine Ecke, wo der Boden fleckig wirkte, weil das Sonnenlicht durch die Blätter großer, in Kübeln wachsender Bäume fiel. Die Prinzessin saß dort mit Thadd an einem Tisch. Ihr langes blondes Haar fiel offen auf ihre Hände, mit seinen verschlungen, und sie unterhielten sich leise und vertraut. Der Bildhauer trug jetzt Schuhe und ein neues Hemd. Es saß ein wenig eng, aber vermutlich war es das einzige, das man auf die Schnelle hatte finden können und das ihm halbwegs passte. Mehrere Diener standen in der Nähe, hielten sich jedoch im Hintergrund, ganz wie immer. Ich winkte ihnen unauffällig zu, und sie begrüßten mich mit freudigem Lächeln.
Mein Herz schlug schneller, als ich Jeck ein wenig abseits stehen sah. Obwohl seine Misdever Uniform jetzt sauber war, wirkte er verärgert. Er trug wieder diesen lächerlich pompösen Hut, mit dem er trotz seiner kraftvollen Figur albern aussah. Zu viele Wachen standen bei ihm. Er trug keine Ketten, aber auch kein Schwert. Ich berührte fragend die Stelle an meiner Hüfte, wo ein Schwert hängen würde, und er zuckte mit den Schultern.
Die Prinzessin blickte auf, als Kavenlow sich räusperte. »Tess«, rief sie erfreut, und es drehte mir das Herz im Leibe um, denn sogar ihre Stimme war der unserer Mutter sehr ähnlich. »Komm, setz dich zu uns. Ich habe schon auf dich gewartet.«
»Guten Morgen, Prinzessin. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen«, begrüßte ich sie förmlich.
»Ach, bitte nicht«, stöhnte sie beinahe und wies auf den Stuhl an ihrer anderen Seite. »Das habe ich jetzt schon so satt, dass ich meinen Nachttopf durchs Fenster werfen könnte. Würdest du bitte ganz normal mit mir sprechen? Bei den Gardisten und so weiter ertrage ich es ja noch, aber nicht von dir.«
Ich grinste und nickte verständnisvoll, während die Diener verlegen von einem Fuß auf den anderen traten. Ich hatte mich stets dem gebührenden Anstand fügen müssen, sie hingegen hatte einen fabelhaften Vorwand dafür, das Protokoll zu missachten, da sie ja praktisch von Wölfen großgezogen worden war. Die kommenden Monate würden recht interessant werden, wenn sie nach und nach ihre königlichen Nachbarn kennenlernte. »Guten Morgen, Contessa«, begann ich noch einmal von vorn. »Gut geschlafen?«
Sie seufzte erleichtert und nickte und sah dabei ganz ungekünstelt hinreißend aus.
Hauptmann Jeck trat einen Schritt vor, um mir den Stuhl zurechtzurücken. Der nächststehende Gardist zog daraufhin beinahe das Schwert, und Jeck trat entnervt zurück. Thadd sprang auf, als Kavenlow mir half, mich zu setzen. Sämtliche Männer blieben stehen, und Kavenlow trat mit vielsagendem Blick zwischen die Prinzessin und Hauptmann Jeck.
»Danke, dass du gekommen bist, Tess. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll«, erklärte die Prinzessin, und ich wand mich innerlich, weil sie das vor aller Ohren aussprach. Vielleicht war es doch keine so gute Sache, eine Prinzessin vom Lande zu sein.
Als sie meine Miene sah, weiteten sich ihre Augen, und sie errötete. »Ich bin im Augenblick ein wenig ratlos und würde gern deine Meinung hören«, korrigierte sie sich und sprach jedes Wort klar und deutlich aus. Sie brachte sogar einen höfischen Akzent zustande, und ich fragte mich, ob sie heimlich geübt hatte. »Ich kann Prinz Garrett nicht heiraten. Aber solange ich unverheiratet bin, bleibe ich aufgrund der Prophezeiung vom Roten Mond ein beliebtes Anschlagsziel für Meuchelmörder.«
Die Wachen strafften die Schultern, und Kavenlow runzelte die Stirn. »Dazu wird es nicht kommen, Prinzessin«, erklärte er.
»Das will ich doch hoffen«, entgegnete sie spitz und verzog dann das Gesicht, als sie selbst merkte, dass sie sich schon wieder im Ton vergriffen hatte. »Das mag sein«, fügte sie mit sanfter Stimme hinzu. »Dennoch sollte ich das bedenken.« Ihre blauen Augen, denen unseres Vaters so ähnlich, blickten hilflos drein, und Mitgefühl überkam mich. Es war leichter, an einer Prophezeiung zu sterben, als damit zu leben.
»Ich habe heute Morgen versucht, mit Prinz Garrett zu sprechen«, sagte sie. »Der Mann ist vollkommen verrückt. Er kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
Kavenlow trat einen kleinen Schritt zurück. »Es freut mich, dass Ihr Euch bereit erklärt habt, mit König Edmunds jüngstem Sohn in Dialog zu treten«, sagte er zu Contessa.
Die Prinzessin schlug die Augen nieder, als Thadd mit einem gequälten Laut um Atem rang. »Es ist meine Pflicht,
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