Topkapi
zweitens?«
»Daß er wußte, daß zugelassene Wagen, die von Denizyollari-Schiffen nach Istanbul transportiert werden, vom Eigentümer als Passagier begleitet werden müssen, und daß er bei der Zollinspektion nicht dabei sein wollte, aus Angst, es könnte im Wagen etwas entdeckt werden, was nicht dort sein sollte.«
»Aha.« Er lächelte. »Aber Sie hatten keine Angst?«
Wir wurden uns immer sympathischer. »Herr Kommandant«, sagte ich, »ich mag etwas leichtsinnig gewesen sein, was meinen Paß betrifft, aber ich bin kein Narr. Sowie ich gestern aus Athen draußen war, hielt ich an und durchsuchte den Wagen gründlich.«
Es klopfte an die Tür, und der Zollinspektor kam zurück. Er legte dem Kommandanten ein Blatt Papier vor. Der Kommandant las es. Plötzlich wurde sein Gesicht hart. Er sah mich an. »Sie sagten, Sie durchsuchten den Wagen gründlich?«
»Ja, Sir.«
»Haben Sie die Türfüllungen nachgesehen?«
»Nein, Sir. Sie sind versiegelt. Beschädigungen wären dabei …«
Er sagte schnell etwas auf türkisch. Plötzlich packte mich der Sicherheitsbeamte am Hals und tastete mit der anderen Hand meine Taschen ab. Dann stieß er mich heftig auf einen Stuhl.
Ich starrte den Kommandanten verständnislos an.
»In den Türfüllungen befanden sich zwölf Tränengasbomben, zwölf Sprengbomben, zwölf Rauchbomben, sechs Gasmasken, sechs Parabellum-Revolver und hundertundzwanzig Packungen Neun-Millimeter-Revolvermunition.« Er legte das Blatt, von dem er abgelesen hatte, auf den Tisch und stand auf. »Sie sind verhaftet.«
III
Die Grenzstation war nicht auf die Unterbringung eines Gefangenen eingerichtet. Ich wurde unter Bewachung in die Toilette gesperrt, während der Kommandant dem Hauptquartier meine Verhaftung meldete und auf Befehle wartete. Die Toilette war nur ein paar Meter von seinem Büro entfernt, und während der nächsten zwanzig Minuten klingelte das Telefon viermal. Ich konnte seine Stimme hören; mit jedem Anruf wurde sein Ton respektvoller.
Ich war nicht sicher, ob ich mich davon ermutigen lassen sollte oder nicht. Das Verhalten von Polizisten ist immer schwer vorauszusehen, selbst wenn man ein Land gut kennt. Manchmal ist die höhere Autorität für eine vernünftige Erklärung empfänglicher und eher geneigt, ein in würdiger Form vorgebrachtes Bedauern zu akzeptieren als irgendein von sich eingenommener oder auch sadistischer Subalterner. Andererseits verfügt der höhergestellte Beamte auch über größere Machtmittel und – was den Versuch einer Bestechung betrifft – über großzügigere Vorstellungen. Am meisten Kopfzerbrechen allerdings bereitete mir die Frage, wie sie mich wohl behandeln würden. Selbstverständlich ist die Polizei jederzeit und überall von ihrem »korrekten« Verhalten überzeugt. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, obwohl ich nur zehn- oder zwölfmal in meinem Leben verhaftet worden bin, daß das Wort »korrekt« so gut wie alles bedeuten kann, angefangen von warmen Mahlzeiten aus dem Restaurant nebenan und genügend Zigaretten bis zu scharfer Fesselung und einem Tritt in den Magen, sollte man es wagen, sich zu beklagen.
Meine bisherigen Zusammenstöße mit der türkischen Polizei waren insofern unangenehm gewesen, als sie lästig und demütigend gewesen waren; jetzt mußte ich mich mit schwerwiegenderen Tatsachen auseinandersetzen. Besitz von Munition, Sprengstoffen und anderen Offensivwaffen, der Versuch, sie in die Türkische Republik zu schmuggeln, die Mitführung verborgener Schußwaffen und illegaler Grenzübertritt ohne gültige Ausweispapiere – das waren weit ernstere Anschuldigungen. Es würde Zeit brauchen, meine völlige und absolute Unschuld nachzuweisen, und es konnten eine Menge unerquicklicher Dinge in der Zwischenzeit passieren.
Die Möglichkeit, daß sich meine Unschuld nicht nachweisen ließ, das war etwas, mit dem ich, obwohl durch und durch Realist, mich noch nicht auseinanderzusetzen bereit war.
Nach dem vierten Telefongespräch kam der Kommandant aus seinem Büro. Er gab dem Sicherheitsbeamten, der auf dem Flur vor der Toilette gewartet hatte, einen Befehl. Dann kam er zu mir.
»Sie werden ins Garnisonsgefängnis in Edirne übergeführt«, sagte er.
»Und was wird mit dem Wagen, Sir?«
Er zögerte. »Darüber habe ich keine Befehle. Zweifellos wird er als Beweismittel gebraucht werden.«
Die direkte Fühlungnahme mit »oben« schien sein anfängliches Selbstvertrauen etwas gedämpft zu haben. Ich entschloß mich zu einem
Weitere Kostenlose Bücher