Topkapi
Wagen. Er war anscheinend müde und dachte an sein Abendessen.
»Tourisme?« fragte er.
»Ja.«
Wir gingen wieder zurück, er stempelte das Carnet und trennte seinen Teil heraus. Er hatte eben das Carnet gefaltet und reichte es mir, als mir jemand hart auf die Schulter klopfte.
Es war der Sicherheitsbeamte. Er hatte meinen Paß in der Hand. Ich wollte ihn entgegennehmen, aber er schüttelte den Kopf, wedelte mir damit vor der Nase herum und sagte etwas auf türkisch.
Ich spreche ägyptisches Arabisch, und im Türkischen gibt es viele arabische Wörter; aber die Türken sprechen sie ganz anders aus und kombinieren sie mit persischen und alttürkischen Ausdrücken. Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Dann sagte er es auf französisch, und ich verstand.
Mein Paß war seit drei Monaten abgelaufen.
Mit einem Schlag war mir alles klar. Anfang des Jahres hatte ich eine Meinungsverschiedenheit mit den ägyptischen Konsulatsbeamten gehabt, der »Vereinigten Arabischen Republik«, wie sie sich jetzt zu nennen belieben, und hatte die Paßangelegenheit einfach laufenlassen. Ich war bereits dazu entschlossen gewesen, den Ägyptern zu sagen, sie sollten sich ihren Paß in den Kamin hängen, und wollte mich an die Briten um Wiedererlangung der britischen Staatsangehörigkeit wenden, die mir, das möchte ich mit Nachdruck hinzufügen, durchaus zusteht. Ich hatte aber damals so viel zu tun, daß ich einfach nicht dazugekommen war, alle nötigen Formulare auszufüllen. Meine griechische Aufenthaltsgenehmigung war in Ordnung, und mehr brauchte ich normalerweise nicht an Ausweispapieren. Ich finde diesen ganzen Papierkrieg, den wir heutzutage führen müssen, sehr ermüdend. Und ich hatte bei den Aufregungen, die ich mit Harper gehabt hatte, einfach nicht mehr daran gedacht, auf das Datum in meinem Paß zu achten. Wenn ich gewußt hätte, daß er abgelaufen war, hätte ich mir mehr Mühe gegeben mit dem Sicherheitsbeamten und ihn in eine Unterhaltung verwickelt oder mir sonst etwas einfallen lassen. So etwas war mir noch nie passiert. So wie die Dinge lagen, war die ganze Geschichte äußerst unangenehm. Der Sicherheitsbeamte weigerte sich, den Paß zu stempeln. Er sagte, ich müsse nach Saloniki zurückfahren und den Paß vom dortigen ägyptischen Vizekonsul verlängern lassen, bevor er mich durchlassen könne.
Ich kam gar nicht erst dazu, lange Erklärungen abzugeben. Jetzt kam der Zollinspektor dazu, wedelte mit dem Carnet und rief, der Wagen hätte bereits passiert und sei deshalb legal in der Türkei. Da ich nicht passiert hätte und mich deshalb nicht legal in der Türkei befände, wie sollte ich den Wagen wieder legal herausbekommen? Was es schon ausmache, wenn der Paß abgelaufen sei? Es handle sich ja nur um drei Monate. Warum er den Paß nicht einfach stemple, mich passieren ließe und die ganze Geschichte vergesse?
Wenigstens glaube ich, daß er das sagte. Sie waren jetzt ins Türkische verfallen und knurrten sich gegenseitig an, als existiere ich gar nicht mehr. Hätte ich den Sicherheitsbeamten allein zu fassen bekommen, hätte ich es mit Schmiergeld versucht; aber da der andere dabei war, war es zu gefährlich. Schließlich gingen sie beide, um die Sache einem ranghöheren Offizier vorzutragen. Meine einzige Hoffnung in diesem Moment war wirklich nur noch, daß sie sich auf den Vorschlag des Zollinspektors einigten, nämlich das Datum im Paß zu übersehen.
Mit etwas Glück hätte es so ausgehen können. Obwohl die Sache dann immer noch unangenehm gewesen wäre. Ich hätte mir auf irgendeine Weise in Istanbul einen ägyptischen Konsulatsstempel kaufen und die Verlängerung im Paß fälschen müssen – keine Kleinigkeit. Oder ich hätte zum britischen Generalkonsul gehen, den Verlust eines britischen Passes melden und versuchen müssen, ihnen eine vorläufige Reisebescheinigung abzuluchsen, ehe sie Zeit hatten, die Sache nachzuprüfen – auch nicht einfach. Aber immerhin wären das Schwierigkeiten gewesen, mit denen ein Mann in meiner ungewöhnlichen Situation fertig geworden wäre. Die Schwierigkeiten, denen ich mich jetzt gegenübersah, lagen völlig außerhalb des Bereiches meiner bisherigen Erfahrung.
Ich stand etwa zehn Minuten in der Zollbaracke, bewacht von einem Posten, der so aussah, als könnte ihn nichts mehr erfreuen als ein Vorwand, mich zu erschießen. Ich tat so, als bemerkte ich ihn nicht; aber seine Gegenwart machte die Sache nicht besser. Ich spürte, daß ich langsam meine Magenkrämpfe
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