Topkapi
grünen Holztür geführt. Auf der Tür stand in weißer Farbe das Wort ISTIFHAM. Es ist ein türkisches Wort; es bedeutet VERHÖR.
Das Zimmer hatte nur ein kleines, vergittertes Fenster; die Sonne stand tief, und es war schon ganz dunkel im Raum. Als ich eintrat, folgte mir einer der Posten und zündete das Licht an. Ein anderer verschloß die Tür von außen. Der Posten, der mich hierhergebracht hatte, setzte sich auf eine Bank an der Wand und gähnte laut.
Der Raum maß etwa sechs Meter im Quadrat. In einer Ecke war eine Waschgelegenheit. Außer der Bank gab es einen schweren, fest im Fußboden verankerten Tisch und ein halbes Dutzend Stühle. An der Wand waren ein Telefon und ein gerahmter Druck von Kemal Atatürk. Der Fußboden war mit abgetretenem braunem Linoleum ausgelegt.
Ich zog meine Zigaretten heraus und bot dem Posten eine an. Er schüttelte den Kopf und blickte mich verächtlich an, als hätte ich ihm ein unzureichendes Schmiergeld geboten. Ich zuckte die Achseln, steckte mir die Zigarette zwischen die Lippen und bedeutete ihm, daß ich Feuer wollte. Wieder schüttelte er den Kopf. Ich legte die Zigarette weg und setzte mich an den Tisch. Jeden Augenblick konnte ein Beamter der Zweiten Sektion kommen und mit dem Verhör beginnen. Was ich jetzt am dringendsten brauchte, war etwas, das ich ihm erzählen konnte.
Es ist immer das gleiche bei Verhören. Ich entsinne mich, wie mein Vater es meiner Mutter einmal zu erklären versuchte. Es nützt einem Soldaten, der wegen eines Vergehens vor den O. v. D. zitiert wird, nicht viel, wenn er nur die Wahrheit sagt; er muß noch etwas mehr, etwas Besonderes hinzufügen. Kommt er eine halbe Stunde nach dem Zapfenstreich in die Kaserne, nur weil er zuviel Bier getrunken und den letzten Bus verpaßt hat – damit erreicht er nichts. Er ist nur ein Dummkopf – sieben Tage Stubenarrest. Kann er aber die Geschichte so erzählen, daß der O. v. D. seinen Spaß daran findet, ist es etwas anderes. Dann kann er mit einer Verwarnung davonkommen. Mein Vater erzählte von einem Korporal in seinem alten Regiment, der so begabt für derartige Geschichten war, daß er sie für eine halbe Krone das Stück verkaufte. Die Geschichten hörten sich so an:
»Well, Sir, ich ging in soldatischer Haltung und rechtzeitig zum Zapfenstreich die Cantonment Road entlang in Richtung der Kaserne. Als ich gerade bei der Ladenpassage an der Ordnance Avenue vorbeikam, hörte ich eine Frau schreien.« Pause. »Well, Sir, ich blieb stehen, lauschte und hörte sie wieder schreien. Dann hörte ich weitere Schreie. Die Schreie kamen aus einem der Läden in der Passage, und ich eilte hinein, um nachzusehen.« Wieder Pause, langsam den Faden wieder aufnehmen. »Well, Sir, ich fand einen Eingeborenen – der eine weiße Frau in einem dunklen Türeingang belästigte. Ich konnte erkennen, daß es sich um eine Dame handelte, Sir.« Das muß etwas einwirken. »Well, Sir, als die Dame mich erblickte, bat sie mich um Hilfe. Sie sagte, sie sei auf dem Heimweg zum Haus ihrer Mutter drüben am Rande des Artillerie-Parks gewesen, als dieser Eingeborene versucht hatte – well, sich ihr zu nähern. Ich sagte ihm, er solle verschwinden. Daraufhin, Sir, wurde er ausfallend, bedachte mich mit üblen Schimpfnamen und fing an, das Regiment zu beleidigen.« Tief Atem holen. »Well, Sir, der Dame zuliebe beherrschte ich mich. Ich bin tatsächlich davon überzeugt, Sir, daß der Mann betrunken war oder unter dem Einfluß von Rauschgift stand. Immerhin war er so vernünftig, sich zurückzuziehen, aber sowie ich mit der Dame aus der Passage trat, bemerkte ich, daß er uns folgte. Also wartete er nur auf eine Gelegenheit, die Dame erneut zu belästigen, Sir. Als sie mich bat, sie zum Haus ihrer Mutter zu geleiten, Sir, wußte ich, daß ich mich verspäten würde. Aber wenn ich einfach weitergegangen wäre, und ihr wäre etwas Schreckliches passiert, hätte ich es mir nie verziehen, Sir.« Man nehme stramme Haltung an und blicke starr über den Kopf des Vorgesetzten an die Wand. »Kann nichts zu meiner Entschuldigung vorbringen, Sir, erwarte meine Bestrafung.« Dem fällt nichts weiteres ein als: »Darf nicht wieder vorkommen.« Verfahren eingestellt.
Allerdings ist es so, daß die Armee dazu neigt, im Zweifelsfalle für den Angeklagten zu entscheiden, es sei denn, er ist ein Typ, der dauernd aneckt. Mit der Polizei ist das viel schwieriger. Sie wollen einem nicht das Recht des Zweifelns zuerkennen. Sie wollen die
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