Topkapi
auf dem Handrücken hatte er Leberflecken. Er war sehr mager, und sein leichter Rohseidenanzug schlotterte beim Gehen, als sei er für einen Dickeren gemacht worden. Er trug eine Brille mit randlosen Gläsern. Die bleichen Lippen entblößten kräftige gelbe Zähne, und sein starr geradeaus gerichteter Blick schien zu sagen: »Sie werden mir schon aus dem Weg gehen müssen, denn ich habe nicht die Zeit, Ihnen aus dem Weg zu gehen.«
Als sie auf den Wagen zukamen, sagte Miss Lipp: »Das ist Arthur Simpson, der uns fährt, Leo.«
Bevor ich auch nur »Guten Tag« sagen konnte, reichte er mir den Regenmantel, den er über dem Arm getragen hatte. »Gut, gut«, sagte er und stieg in den Fond. Sie lächelte, als sie hinter ihm in den Wagen kletterte, aber das Lächeln galt nicht mir.
Der Mantel roch nach Lavendel. Ich legte ihn zum Gepäck, gab dem Träger Trinkgeld und setzte mich hinters Steuer.
»Zur Villa, Miss Lipp?«
»Ja, Arthur.«
»Augenblick.« Das war Miller. »Wo ist mein Mantel?«
»Bei Ihrem Gepäck, Sir.«
»Da wird er schmutzig werden. Ich hätte ihn lieber hier auf dem Sitz.«
»Ja, Sir.« Ich stieg wieder aus und holte den Mantel.
»Was machst du für ein Theater, Leo«, hörte ich sie sagen, »der Wagen ist doch sauber.«
»Das Gepäck ist nicht sauber. Es lag mit anderen Sachen in einem Flugzeugrumpf. Es stand auf dem Fußboden und auf den Zolltischen. Der Mann, der es durchsuchte, hat es in der Hand gehabt, und der Träger auch. Nichts ist sauber.« Sein Akzent hatte keinen amerikanischen Einschlag, und er konnte die th’s nicht richtig aussprechen. Vielleicht war er Franzose.
Ich breitete den Mantel über der Rückenlehne des Sitzes vor ihm aus. »Ist es so gut, Sir?«
»Ja, natürlich«, sagte er ungeduldig.
Diese Typen kenne ich. Sie machen die Schwierigkeiten und tun dann so, als sei der andere derjenige welcher.
»Fahren wir, Arthur«, sagte Miss Lipp. Ihre Stimme klang gelassen. Es war nicht zu erkennen, ob er ihr auf die Nerven ging oder nicht. Ich beobachtete sie im Rückspiegel.
Als wir den Flughafen hinter uns gelassen hatten, lehnte er sich zurück und musterte sie väterlich.
»Du siehst gut aus, meine Liebe. Wie geht es Karl und Giulio?«
»Karl geht’s gut. Giulio haben wir noch nicht gesehen. Er ist auf dem Boot. Karl hatte vor, morgen zu ihm hinauszufahren.«
»Habt ihr schon irgendwelche Pläne?«
»Wir dachten, du würdest dir vielleicht ganz gern Istanbul ansehen. Das heißt, wenn du nicht zu müde bist.«
»Du bist aufmerksamer als eine Tochter.« Die blassen Augen hinter den randlosen Gläsern zwinkerten meinem Rücken zu. Das war mir bereits klar, daß diese Konservation ausschließlich mir zuliebe geführt wurde, aber jetzt sah ich, wie ihre Züge scharf wurden. Sie wußte, daß ich aufmerksam zuhörte, und fürchtete, er tue zuviel des Guten.
»Du mußt Arthur dazu überreden, daß er dich durch das Serail führt«, sagte sie. »Da ist er eine Autorität Nicht wahr, Arthur?« Vielleicht wollte sie ihn darauf hinweisen, daß der Fahrer nicht ganz so dumm war, wie er aussah. Ich mußte mich vorsehen.
»Ich werde mich glücklich schätzen, Mr. Miller die Sehenswürdigkeiten zu zeigen«, sagte ich.
»Oh, das wollen wir uns natürlich überlegen«, entgegnete er; »doch, das wollen wir uns überlegen.«
Er sah sie von der Seite an, um zu sehen, ob er das Rechte gesagt hatte. Eine Redensart meines Vaters kam mir in den Sinn: »Erst knallen sie vor Kraft fast aus der Buxe, aber dann …« Hinter »dann« schnalzte er mit der Zunge. Vulgär, zweifellos, aber es war absolut eindeutig, was für einen Typ er damit meinte.
Danach hüllte Mr. Miller sich in Schweigen. Ein-, zweimal zeigte sie ihm irgendwelche Sehenswürdigkeiten im Tone einer Hostess, die einen Neuankömmling einweist; aber der einzige Punkt, nach dem er sich erkundigte, war das Leitungswasser in der Villa. Konnte man ohne Sorge davon trinken? Es gab in Flaschen abgekochtes Wasser, beruhigte sie ihn. Er nickte, als würden seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, und sagte, er hätte zur Sicherheit reichlich Entero Vioform mitgebracht.
Kurz nach fünf waren wir bei der Villa. Miss Lipp bat mich, zu hupen, als ich den Berg hinauffuhr.
Harper und Fischer erschienen zum Empfang. Als Gepäckträger drückte sich im Hintergrund ein alter Mann mit einer Schürze herum, in dem ich Hamul, den Hausverwalter, vermutete.
Tufan hatte gesagt, Fischer sei der Mieter der Villa, aber es war ganz eindeutig,
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