Topkapi
daß ich die Schrauben irgendwie wieder anbringen mußte, während der Wagen am Flughafen stand.
»Ist die Maschine pünktlich?« fragte sie.
In diesem Augenblick kam ein Dreiradlieferwagen aus einer Seitenstraße angeklappert. Ich bremste und umfuhr ihn mit viel Aufwand. Ich mußte mir gar nicht erst Mühe geben, so zu tun, als hätte der Lieferwagen mich erschreckt. Der Schrecken war mir in die Knochen gefahren. Über dem Anruf bei Tufan und dem Gespräch mit ihm hatte ich den Anruf bei der Fluggesellschaft vollkommen vergessen.
»Es war nichts von einer Verspätung bekannt«, sagte ich; »aber die Maschine machte eine Zwischenlandung. Soll ich mich noch einmal erkundigen?«
»Nein, das lohnt sich jetzt nicht mehr.«
»Gefiel Ihnen das Serail, Miss Lipp?« Ich dachte, beim Reden würde mein Magen sich wieder ein wenig beruhigen.
»Es war sehr interessant.«
»Die Schatzkammer ist sehenswert. Alles, was die Sultane benützten, war mit Juwelen bedeckt. Viele Stücke waren natürlich auch Geschenke von Königen und Kaisern. Sogar Königin Viktoria übersandte Geschenke.«
»Ich weiß.« Sie kicherte. »Uhren und geschliffene Gläser.«
»Ein paar Stücke sind wirklich bemerkenswert. Es gibt Kaffeetassen aus purem Amethyst, und in einem Thronbaldachin ist der größte Smaragd der Welt eingearbeitet. Sie machten sogar Mosaike aus Rubinen und Smaragden statt aus Marmor.« Ich betete die ganze Litanei herunter. Meiner Erfahrung nach spricht jede normale Frau leidenschaftlich gern über Juwelen. Aber sie schien nicht sonderlich interessiert.
»Na«, sagte sie, »viel können sie nicht wert sein.«
»Alle diese unendlich vielen Juwelen, Miss Lipp!« Mein Bein wurde langsam steif. Ich rutschte so unauffällig wie möglich etwas nach links.
Sie zuckte die Schultern. »Der Führer sagte mir, daß sie die anderen Räume schließen, wenn sie die Schatzkammer aufmachen. Sie haben zuwenig Leute. Und sie haben deshalb zuwenig Leute, weil die Regierung sie zu schlecht bezahlt. Und außerdem, wären alle diese Steine echt, dann lägen sie in einer Stahlkammer und nicht in einem Museum. Wissen Sie, Arthur, ein großer Teil von diesen alten Marmeln sind am Ende nur Obsidian und Granat.«
»Sie sind wirklich echt, Miss Lipp.«
»Wie sieht der größte Smaragd der Welt aus, Arthur?«
»Er hat die Form und auch etwa die Größe einer Birne.«
»Glatt oder geschliffen?«
»Glatt.«
»Könnte es nicht grüner Turmalin sein?«
»Ich bin kein Experte.«
»Interessiert es Sie, was es ist?«
»Nicht sehr«, antwortete ich. »Die Geschichte klingt nur besser, wenn es ein Smaragd ist.«
Sie lächelte. »Die Geschichte ist aber amüsanter, wenn es keiner ist. Sind Sie jemals im geheimnisvollen Osten gewesen?«
»Nein, Miss Lipp.«
»Aber Sie kennen Bilder davon. Wissen Sie, warum diese hohen Pagoden so herrlich im Mondlicht glitzern? Sie sind über und über mit kleinen Glasscherben bedeckt. Und der berühmte smaragdene Buddha in Bangkok ist aus einem gewöhnlichen grünen Jaspisblock gehauen.«
»Warum schicken Sie das nicht an Reader’s Digest ein?« Ich sagte es aber nicht laut.
Sie nahm eine Zigarette aus einem goldenen Etui in ihrer Tasche. Ich suchte in meiner Hosentasche nach Streichhölzern; aber sie hatte auch ein goldenes Feuerzeug. »Haben Sie diese Art Arbeit immer schon gemacht?« fragte sie plötzlich.
»Chauffieren? Nein, Miss Lipp. Den größten Teil meines Lebens habe ich als Journalist gearbeitet. Das war in Ägypten. Als Nasser an die Macht kam, war nichts mehr zu machen. Ich mußte wieder von vorn anfangen.« Offen, ohne Umschweife – ein Mann, dem das Schicksal zwar übel mitgespielt hatte, der aber keine Schulter brauchte, um sich auszuweinen.
»Ich dachte an die Reiseschecks«, sagte sie. »Meinen Sie das mit ›von vorn anfangen‹?«
Es war natürlich keine allzu große Überraschung, daß Harper es ihr erzählt hatte. Aber ich hatte andere Sorgen: fahren, die Türfüllung festklemmen, der Krampf in meinem Bein und die bange Frage, wie in aller Welt ich die Schrauben wieder hineinbekam.
»Dachten Sie, er würde es mir nicht erzählen?« machte sie weiter.
»Ich dachte überhaupt nicht darüber nach, Miss Lipp.«
»Aber da er es mir erzählt hat und da Sie diesen Wagen fahren, muß das wohl heißen, daß mir solche Dinge nicht allzu viel ausmachen, nicht wahr?«
Eine verrückte Sekunde lang überlegte ich mir, ob sie mir irgendwelche komischen Hoffnungen machen wollte; aber das war nur ein
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