Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
Vom Netzwerk:
sich das Nylonseil als Polster auf den Stufen zurecht, ehe er sich setzte. Seine Begeisterung war verpufft. Er hatte sich der Viren und Bakterien erinnert.
    Ich setzte mich auf die unterste Treppenstufe und wünschte mir, mein Verstand würde sich so wie seiner mit irrationalen Ängsten beschäftigen anstatt der ganz realen und greifbaren, die mir auf Lunge, Herz und Magen drückten.
    Um fünf Uhr hörten wir die Glocken in den Höfen, und vereinzelte Rufe wurden laut. Die Wachen geleiteten die letzten Besucher zu den Toren und schlossen ab.
    Ich wollte mir eine Zigarette anzünden, aber Miller hielt mich zurück. »Nicht ehe es dunkel ist«, sagte er. »Die Sonne könnte den Rauch sichtbar machen, ehe er sich über dem Dach verflüchtigt hat. Es ist auch besser, wenn wir nicht mehr sprechen. Draußen wird es bald sehr ruhig werden, und wir wissen nicht, wer uns hören kann. Kein unnötiges Risiko.«
    Das hatte Tufan auch gesagt. Ich fragte mich, was er wohl jetzt machte. Er mußte bereits wissen, daß seine Leute nur noch hinter Miss Lipp und dem Lincoln her waren, unsere Spur aber verloren hatten. Der Peugeot hatte wahrscheinlich eine Meldung durchgegeben. Die Frage war, ob den V-Leuten der Kombi-Wagen aufgefallen war oder nicht. Wenn ja, bestand immerhin die Möglichkeit, daß Tufan ihn mit Hilfe der Polizei aufspüren konnte; aber es erschien mir recht unwahrscheinlich. Ich fragte mich, wieviel tausend VW-Kombis es in der Gegend von Istanbul geben mochte. Wenn sie die Nummer notiert hatten … lauter Wenn und Aber. Fischer fing an zu schnarchen, und Miller stieß ihn in die Seite, bis er aufhörte.
    Das Stückchen Himmel über der Treppe färbte sich rot und dann grau und dann blauschwarz. Ich zündete eine Zigarette an und sah im Schein der Streichholzflamme Millers Zähne gelblich schimmern.
    »Haben wir Taschenlampen?« flüsterte ich. »Wir sehen ja nicht die Hände vor dem Gesicht.«
    »Der Mond steht im dritten Viertel.«
    Gegen acht Uhr waren gedämpfte Stimmen in einem der Höfe zu hören, und ein Mann lachte. Vermutlich zog die Nachtschicht auf. Dann wurde es wieder still. Ein Flugzeug zog über uns hinweg. Setzte es zur Landung auf dem Flughafen Yesilköy an, oder war es eben gestartet?
    Fischer zog eine Wasserflasche mit einem darübergestülpten Metallbecher hervor, und wir nahmen jeder einen Schluck. Wieder verging eine Ewigkeit. In der Ferne hörte man, wie ein Zug aus dem Bahnhof Sirkeci hinausfuhr und um eine scharfe Kurve unter der Serailspitze herumstampfte. Sein Pfiff klang schrill, und dann wurde er schneller. Als das Geräusch verklungen war, flammte plötzlich ein blendendes Licht auf. Miller hielt eine fingergroße Stablampe in der Hand und sah auf seine Armbanduhr. Er seufzte zufrieden.
    »Wir können gehen«, flüsterte er.
    »Leuchte mir einen Augenblick, Leo«, sagte Fischer.
    Miller hielt ihm das Licht hin. Mit seiner heilen Hand holte Fischer einen kleinen Revolver aus der Brusttasche, entsicherte ihn und steckte das Ding in eine Seitentasche. Er warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu, als er langsam über die Tasche strich.
    Miller erhob sich, also erhob ich mich auch. Er kam die Treppen herunter mit dem Seil und hängte es sich wie ein Bergsteiger über die Schulter. »Ich gehe voran«, sagte er. »Arthur folgt mir. Dann kommst du, Hans. Moment.«
    Er erleichterte sich in der Ecke neben dem Feuerschlauch. Als er fertig war, tat Fischer es ihm nach.
    Ich rauchte. »Machen Sie die Zigarette aus«, sagte Miller. Er sah Fischer an. »Bist du fertig?«
    Fischer nickte. Und dann sah ich, wie er sich im letzten Augenblick, ehe das Licht ausging, bekreuzigte. Das verstehe ich ja nun nicht. Er erbat sich wohl einen Segen oder was weiß ich für die Sünde, die er begehen wollte.
    Miller stieg langsam die Treppen hinauf. Oben hielt er inne, blickte sich um, schob sein Seil zurecht.
    »Karl meinte, Sie seien nicht schwindelfrei«, sagte er beruhigend; »aber Sie werden sehen, es ist alles ganz einfach. Folgen Sie mir in drei Schritt Entfernung. Schauen Sie nicht zur Seite oder zurück, nur nach vorn. Einen Schritt tiefer verläuft eine Eisenkonstruktion. Dann kommt das Dach. Ich werde hinuntersteigen, drei Schritte weitergehen und dann ein wenig warten, bis Ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben.«
    Ich hatte so lange im Dunkeln gesessen, daß mir das Mondlicht draußen auf dem Dach beinahe so hell wie Tageslicht vorkam; viel zu hell für meinen Geschmack. Ich war fest davon

Weitere Kostenlose Bücher