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Topkapi

Topkapi

Titel: Topkapi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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sich nicht bewegen müßten, dann fühlten Sie sich hier sicher, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Jetzt sind Sie sicher, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Hören Sie zu. Sie können das Seil von hier aus handhaben. Machen Sie die Augen auf und sehen Sie mich an.«
    Ich zwang mich dazu. Er hatte sein Jackett abgenommen und sah knochiger aus denn je. »Hans wird vorn am Rand sein«, fuhr er fort, »und mit seiner gesunden Hand mein Jackett festhalten. Darüber führen wir das Seil, damit es an der Kante nicht beschädigt wird. Verstehen Sie?«
    »Ja.«
    »Sie müssen also gar nicht bis zum Rand vorgehen – nur Seil geben und ziehen, wenn es Ihnen gesagt wird.«
    »Ich weiß nicht. Angenommen, es rutscht mir aus der Hand?«
    »Das wäre schlimm, denn dann hätten Sie es nur noch mit Hans zu tun, und er würde bestimmt dafür sorgen, daß Sie ebenfalls ausrutschen.«
    Er lächelte. Seine Zähne sahen aus wie eine Reihe Grabsteine. Plötzlich ergriff er eine Seilrolle, die auf dem Dach lag, und legte sie mir in die Hände.
    »Machen Sie sich fertig«, sagte er, »und vergessen Sie nicht, daß es sich dehnt. Hans wird Ihnen die Kommandos zum Hinunterlassen, Halten und Hochziehen geben.« Er deutete auf eine Rinne in der Dachverkleidung. »Stemmen Sie sich mit den Füßen dagegen. So.«
    Am Tag, als meine Mutter starb, kam der Imam und stimmte Verse aus dem Koran an: Nun fühle die Qualen des Feuers, das du eine Lüge nanntest. Daran dachte ich.
    Miller schlang das Seilende um meine Brust und verknotete es sorgfältig. »Fertig, Arthur?«
    Ich nickte.
    »Dann schauen Sie auf Hans.«
    Meine Augen erfaßten Fischers Beine und dann seinen Körper. Er lag auf der rechten Seite, die Schulter auf Millers Jackett und die rechte Hand am Seil, um es zu führen. Weiter vor zum Rand wagte ich nicht zu blicken. Ich wußte, daß ich dann wieder schlappmachen würde.
    Ich sah, wie Miller Handschuhe anlegte, in die Schlinge trat, sich niederkauerte und dann aus meinem Blickfeld verschwand.
    »Jetzt«, flüsterte Fischer.
    Der Zug kam nicht plötzlich; zuerst mußte die Dehnfähigkeit des Nylonmaterials aufgefangen werden. Meine Hände waren schweißfeucht und schlüpfrig, und ich hatte mir das Seil um den Ärmel meines linken Armes geschlungen, um mehr Halt zu haben. Als die Belastung sich voll auswirkte, zog sich die Schlinge wie eine Aderpresse zusammen. Dann fluktuierte der Druck, und ich spürte, wie Miller in der Schlinge hin und her schwang, als das Seil sich auspendelte.
    »Ruhig.« Fischer legte seine rechte Hand über das Seil.
    Die Rolle an dem Ankerseil neben mir kam zur Ruhe.
    »Langsam Seil lassen.«
    Ich ließ das Seil um meinen Arm gleiten, und die Schwingungen setzten wieder ein.
    »Weiter, vorsichtig.«
    Ich ließ weiter Seil nach. Die Schwingungen waren jetzt nicht mehr so stark, nur hin und wieder vibrierte es. Miller suchte mit den Füßen Halt an der Wand, als er abstieg. Ich sah, wie die Seilrolle neben mir dünner wurde, und wurde von Angst erfaßt. Das Seilende war um meine Brust gebunden. Ich konnte es nicht abbinden, ohne loszulassen. Wenn das Seil nicht bis zu dem Fensterladen reichte, würde Fischer mich näher zur Kante kommen lassen.
    Es waren noch knapp zwei Meter Seil übrig, als er die Hand hob. »Stop. Festhalten.«
    Ich war so erleichtert, daß ich den Schmerz von der engen Schlinge an meinem Arm gar nicht spürte. Ich schloß die Augen und hielt den Kopf gesenkt.
    Ich spürte schwache Bewegungen über das Seil, und wenig später erklangen leise, klirrende Geräusche, als Miller an den metallenen Fensterläden zu arbeiten anfing. Minuten vergingen. Mein linker Arm wurde langsam gefühllos. Dann kam wieder ein Geräusch von unten, ein hohles Klopfen. Im nächsten Augenblick zischte Fischer zu mir herüber. Ich öffnete wieder die Augen.
    »Seil geben, ganz langsam.«
    Wie ich gehorchte, spürte ich, daß die Spannung im Seil plötzlich nachließ. Miller war drin.
    »Ruhen Sie sich aus.«
    Ich lockerte das Seil um meinen Arm und massierte ihn, bis er zu prickeln anfing. So war ich mit meinem Arm beschäftigt und dachte nicht an andere Dinge, wie damals, als der Turnlehrer mich tauchen ließ. Wenn man ins Kadetten-Corps kam, mußte man schwimmen können, und einmal wöchentlich wurden alle Jungen, die es noch nicht konnten, ins Hallenbad von Lewisham kommandiert zum Schwimmunterricht. Wenn man schwimmen konnte, mußte man tauchen. Das Schwimmen machte mir nichts aus, aber sowie mein Kopf unter Wasser kam,

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