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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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durch Bestechung oder Schmeichelei umzustimmen gewesen wäre, aber Zeke schien durchaus der Typ Mensch zu sein, der sein Versprechen hielt und ein Geheimnis lieber mit ins Grab nahm. Trotzdem war es frustrierend, so im Dunkeln zu tappen. Vor allem, wenn in dieser Dunkelheit irgendwo ein mächtiger Vampirkönig lauerte.
    Zunächst suchte ich nach einem neuen Gesprächsthema, um ihm auf einem anderen Weg seine sorgsam gehüteten Geheimnisse zu entlocken, aber plötzlich stolperte ich über etwas, das er gerade gesagt hatte: »Moment mal«, murmelte ich stirnrunzelnd. »Eure Suche nach Eden, diese ewige Wanderung, das macht ihr schon seit Jahren ?«
    »Ich glaube …« Zeke unterbrach sich kurz und dachte angestrengt nach. »Ich glaube, diesen Sommer werden es drei Jahre. Oder doch schon vier?« Er zuckte mit den Achseln. »Irgendwann verliert man den Überblick.«
    »Und ihr glaubt immer noch daran, dass Eden irgendwo dort draußen existiert?«
    »Das muss es«, versicherte mir Zeke leidenschaftlich. »Denn falls nicht, dann sind all die Menschen, die wir verloren haben, umsonst gestorben, und das ganze Vertrauen, das die anderen in uns setzen, wäre vergebens.« Trauer überschattete sein Gesicht, doch er schüttelte sie schnell ab, und in seine Augen trat ein entschlossenes Funkeln. »Mit jedem Jahr kommen wir der Sache näher«, erklärte er. »Jedes Mal, wenn wir einen Ort erreichen und es dort nicht finden, bringt uns das einen Schritt näher an unser Ziel. Jackal und seine Gang sind ständig auf der Suche nach uns, aber sie werden uns nicht finden. Jetzt sind wir schon so weit gekommen, uns kann niemand mehr aufhalten. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Gruppe ihren Glauben nicht verliert. Wenn sie wüssten, dass wir von einem Vampir gejagt werden, würden sie die Hoffnung aufgeben. Und manchmal ist die Hoffnung das Einzige, was uns den Tag überstehen lässt.«
    Er klang erschöpft, und plötzlich wurde mir klar, was für eine schreckliche Last er mit sich herumschleppte, eine Verantwortung, für die er eigentlich viel zu jung war. Mir fiel wieder ein, wie sich bei der Frage, warum die Gruppe nur nachts reise, sein Blick verfinstert hatte. In seinem Gesicht war zu lesen gewesen, dass er schreckliche Dinge gesehen haben musste. Der Tod hatte ihm seinen Stempel aufgedrückt, und die vielen Verluste nagten an ihm. Es war nur zu offensichtlich, dass er sich an jedes dieser verlorenen Leben erinnerte.
    »Was ist passiert?«, fragte ich vorsichtig. »Du hast mir gesagt, ihr würdet aus einem bestimmten Grund nachts reisen. Warum also?«
    Er schloss müde die Augen. Als er sie wieder aufschlug, schien er ein anderer – die Trostlosigkeit in seinem Gesicht ließ ihn viel, viel älter aussehen. »Am Anfang war ich das einzige Waisenkind in der Gruppe«, erzählte er, offensichtlich mit den Gedanken in weiter Ferne. »Damals waren wir noch viel mehr, und wir waren absolut sicher, dass wir Eden noch vor dem Winter finden würden. Jeb war davon überzeugt, dass es irgendwo an der Westküste liegen müsse. Als wir aufbrachen, gingen alle davon aus, dass wir nicht mal ein Jahr für die Reise brauchen würden.« Mit einer abrupten Bewegung strich er sich die Haare aus dem Gesicht. »Anfangs wanderten wir tagsüber, wenn die Monster schliefen. Abends warteten wir nach Einbruch der Dunkelheit noch ein paar Stunden ab, erst dann schlugen wir unser Lager auf, um sicherzugehen, dass keine Verseuchten in der Nähe waren. Wir dachten, sie würden direkt nach Sonnenuntergang auftauchen, und dass wir sicher wären, wenn wir einfach ein oder zwei Stunden warteten.« Ihm versagte die Stimme und er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wir haben uns geirrt. Verseuchte … Verseuchte tauchen dann auf, wenn sie es wollen.«
    Wieder unterbrach sich Zeke und holte tief Luft. »Eines Nachts haben wir wie üblich unser Lager aufgeschlagen«, fuhr er dann leise fort, »ungefähr eine Stunde nach Sonnenuntergang. Mitten auf einem grünen Hügel, ohne Bäume oder Sträucher, es gab nichts, wo sich ein Verseuchter hätte verstecken können, um sich anzuschleichen. Wie immer stellten wir am Rand des Lagers Wachen auf und gingen schlafen.«
    Zeke starrte blicklos in die Ferne. »Die Schreie haben mich geweckt«, erklärte er mit finsterer Stimme. »Sie kamen direkt aus der Erde, aus dem Boden unter unseren Zelten, ohne jede Vorwarnung. Plötzlich waren sie einfach da. Wir hatten nicht die geringste Chance.«
    Vor lauter Mitgefühl überlief mich

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