Tor der Daemmerung
der ihn ausdruckslos erwiderte. Falls er Groll oder Schuldgefühle hegte, weil ich ihr Gespräch belauscht hatte, so zeigte er sie nicht. Aber darüber konnte ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. »Jeb, ich habe auf der Straße zwei Männer gesehen, die in unsere Richtung kommen. Sie fahren auf seltsamen Zweirädern mit Motoren und sie sind bewaffnet.«
»Zweiräder mit Motoren?«, wiederholte Ruth und sah Zeke verwirrt an. Jeb hingegen begriff wesentlich schneller.
»Gangster auf Motorrädern«, erklärte er grimmig, worauf hin Ruth entsetzt aufkeuchte. Abrupt drehte sich Jeb zu Zeke und mir um. »Holt alle von der Straße runter«, befahl er knapp und zeigte auf die Gruppe. »Wir müssen uns verstecken. Schnell!«
Die Worte hatten seine Lippen kaum verlassen, als auch schon ein leises Motorengeräusch zu hören war und in der Ferne die Scheinwerfer aufleuchteten. Unsere Leute reagierten geschockt, eines der Kinder schrie sogar.
Hastig scheuchten Ruth, Zeke und ich alle von der Straße und trieben sie möglichst weit in die Hügel hinaus. Gleichzeitig hob ich vergessene Konservendosen, Verpackungen und Schalen auf und warf sie in das hohe Gras, um so möglichst alle Spuren zu verwischen, die ein Dutzend Menschen so hinterlässt.
Die Gangster kamen näher, immer lauter dröhnten die Motoren durch die Nacht. Gerade noch rechtzeitig kauerte ich mich hinter einen umgestürzten Baum, bevor die Scheinwerfer genau die Stelle streiften, an der die Gruppe gerade noch gestanden hatte. Einen Augenblick später tauchte Zeke auf, sprang über den Stamm und ließ sich flach auf den Bauch fallen. Dann waren sie auf unserer Höhe.
Vorsichtig spähten wir über unseren Schutzwall hinweg zu den Männern auf ihren seltsamen Maschinen hinüber. Wieder fiel mir die unglaubliche Ähnlichkeit mit den beiden Menschen auf, denen ich vor einiger Zeit begegnet war. Mit den beiden Männern, die ich getötet hatte. Einer der Gangster war bereits an uns vorbeigefahren, als der zweite plötzlich anhielt und seine Maschine ausschaltete. Daraufhin wendete der erste sein Motorrad, kam zurück und hielt neben seinem Freund.
»Was gibt’s denn da zu sehen?«, knurrte er. Selbst auf diese Entfernung sorgte mein vampirisches Gehör dafür, dass ich jedes Wort verstand. Der zweite Mann schüttelte den Kopf.
»Weiß nicht. Ich dachte, ich hätte was gehört. Einen Schrei oder so, irgendwo da draußen.«
»Wahrscheinlich ein Karnickel. Oder ein Kojote«, versicherte ihm sein Freund und spuckte genüsslich auf die Straße. Dann zog er ein großes Maschinengewehr aus einem Holster. »Willst du mal reinballern, um sicherzugehen?«
Ich spürte, wie Zeke sich anspannte und vorsichtig nach seiner Waffe tastete, bis ich seine Hand festhielt. Er reagierte mit einem verärgerten Blick, aber ich schüttelte nur den Kopf.
»Nö, ich will keine Kugeln verschwenden. Wahrscheinlich war da gar nichts.« Der Gangster warf seinen Motor an, der laut aufbrüllte. Trotz des Lärms hörte ich ihn noch sagen: »Jackal wird stinksauer sein, wenn wir sie nicht finden. Er war absolut sicher, dass sie irgendwo auf dieser Strecke sein müssen.«
Jackal. Wo hatte ich diesen Namen schon einmal gehört? Er klang vertraut, irgendwann war er mir schon einmal untergekommen. Schlagartig fiel es mir wieder ein: von einem der anderen Gangster. Der Sterbende hatte ihn kurz vor seinem Tod noch erwähnt.
Jackal hätte sich … kaputtgelacht.
Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Das konnte kein Zufall sein. Die Tätowierungen, die Motorräder, die anderen beiden Gangster. Dahinter steckte irgendein Zusammenhang, von dem ich keine Ahnung hatte. Etwas, das man mir verschwieg.
»Ist ja nicht unsere Schuld, wenn sie nicht hier sind«, erwiderte der andere achselzuckend. »Hier draußen ist nichts. Und langsam habe ich keine Lust mehr, irgendwelchen Geistern hinterherzujagen.«
»Aber Derrek und Royce sind hier ganz sicher auf etwas gestoßen. Es sei denn, du glaubst, sie wären einfach ohne ihre Bikes abgehauen.«
Auch darauf hatte der andere eine Antwort, aber sie wurde vom Dröhnen der Motoren übertönt, als die beiden Männer endlich losfuhren. Ich sah ihnen nach, bis das Brummen der Maschinen in der Ferne verklang, ihre Scheinwerfer verschwanden und alles wieder still war.
Ganz langsam wagten sich die Gruppenmitglieder aus ihrem Versteck, als hätten sie immer noch Angst, irgendein Geräusch zu machen.
»Alles klar!« Jebs Stimme vertrieb die allgemeine
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