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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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ein kalter Schauer. Ich sah es regelrecht vor mir, wie die Verseuchten mitten in dem Lager der ahnungslos Schlafenden aus dem Boden auftauchten. »Das tut mir leid«, sagte ich zögernd, obwohl ich wusste, wie nichtssagend das klang.
    »Mehr als die Hälfte der Gruppe war verloren«, fuhr Zeke fort, als hätte er mich nicht gehört. »Wir wären wohl alle gestorben, wenn Jeb nicht gewesen wäre. Ich war wie erstarrt, konnte mich nicht bewegen, nicht einmal, um den anderen zu helfen. Jeb hat es in dem ganzen Chaos geschafft, die Überlebenden zu sammeln, sodass wir entkommen konnten. Aber wir haben so viele zurückgelassen. Dorothys Mann, die Eltern von Caleb und Ruth …« Sein Gesicht verzog sich schmerzlich. »Da habe ich mir geschworen, nicht noch einmal jemanden auf diese Art zu verlieren«, murmelte er. »Niemals wieder.«
    »Du warst noch ein Kind.« Irgendwie waren wir näher zusammengerückt, sodass unsere Schultern sich beim Gehen berührten. »Jeb hätte nicht erwarten dürfen, dass du es ganz alleine mit ihnen aufnimmst.«
    »Mag sein,« sagte er ohne Überzeugung und starrte weiterhin angestrengt auf seine Schuhe. »Aber das ist der Grund, warum wir nicht einfach aufgeben können. Selbst wenn dort draußen ein Vampir rumspukt, der uns tot sehen will. Selbst wenn … selbst wenn es kein Eden gibt.« Er begann zu zittern. »Wir müssen weitermachen. Sie verlassen sich alle darauf, dass wir sie hinführen, und das werde ich ihnen bestimmt nicht nehmen. Uns ist doch nichts mehr geblieben außer unserem Glauben.« Er richtete den Blick auf den Horizont und murmelte kaum hörbar: »Und manchmal frage ich mich, ob das genug sein wird.«
    »Zeke!«
    Ruth kam mit einem strahlenden Lächeln auf uns zu. In einer Hand hielt sie einen Becher aus Blech. »Hier«, flötete sie und quetschte sich zwischen Zeke und mich, um ihm den Becher entgegenzustrecken. »Ich habe ein bisschen Kaffee für dich gerettet. Es ist nicht viel, aber wenigstens ist er noch warm.«
    »Danke.« Mit einem erschöpften Lächeln nahm Zeke die Tasse entgegen. Ohne mich zu beachten, strahlte Ruth ihn an. Ich musterte ihren Rücken und das weiße Fleisch an ihrem Hals und gab mich erneut Fantasien hin, in denen ich meine Zähne in diese weiche, blasse Haut grub.
    »Übrigens«, fuhr sie fort und drehte sich mit einem unschuldigen Blick zu mir um. »Warum ist im Boden von deinem Zelt eigentlich so ein großer Riss? Es sieht so aus, als wäre der absichtlich reingeschnitten worden. Was treibst du da drin, schlachtest du irgendwelche Tiere?«
    Zeke hob fragend eine Augenbraue. Panik stieg in mir auf, doch ich zwang mich zur Ruhe. »Da … muss schon ein Loch drin gewesen sein«, sagte ich schnell. »Manchmal habe ich Albträume, vielleicht habe ich den Stoff weiter aufgerissen, als ich mich rumgewälzt habe.«
    Nickend trank Zeke seinen Kaffee, doch Ruth kniff misstrauisch die Augen zusammen und spitzte die Lippen. Sie glaubte mir nicht. Unwillkürlich stieg ein Knurren in meiner Kehle auf, das ich gerade noch unterdrücken konnte, dann ging ich in die Offensive, um sie abzulenken.
    »Warum schnüffelst du eigentlich in meinen Sachen rum?«, fragte ich mit einem finsteren Blick. »Suchst du etwas Bestimmtes? Ich habe nichts, was du stehlen könntest.«
    Ruth fiel die Kinnlade runter und ihre ebenmäßigen Züge verzerrten sich vor Wut.
    »Stehlen? Wie kannst du es wagen? Ich stehle nicht!«
    »Dann ist es ja gut«, erwiderte ich grinsend. »Denn manchmal kommt es vor, dass ich im Schlaf jemanden töte. Vor allem, wenn derjenige mitten am Tag unangekündigt in meinem Zelt auftaucht. Das liegt wohl am Leben in einer Vampirstadt: Erst zustechen, dann Fragen stellen.«
    Sie erbleichte und drückte sich an Zeke, der mich leicht beunruhigt musterte. Der Umgang mit zänkischen Frauen schien ihn offensichtlich zu überfordern.
    »Freak«, murmelte Ruth schließlich und wandte sich voller Verachtung von mir ab. »Wie dem auch sei, ich wollte mit dir über die Essensrationen sprechen, Zeke. Unsere Vorräte sind schrecklich zusammengeschrumpft. Was soll ich für heute und morgen vorbereiten?«
    Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich verdrehte demonstrativ die Augen, entfernte mich dann aber, damit sie reden konnten. Ruth hätte es ohnehin nicht zugelassen, dass ich noch ein weiteres Wort mit Zeke wechselte. Natürlich konnte sie mich nicht wirklich aufhalten, ich hätte mich genauso gut an Zeke dranhängen können, und sei es nur aus Trotz. Doch wenn

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