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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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sich.
    Dann begann die Frau im Kleid leise zu zischen, bleckte die schartigen Zähne und wich langsam vor mir zurück. Einen Moment später folgten die anderen Verseuchten ihrem Beispiel und gaben kampflos auf. Offenbar hatten sie in mir das Raubtier erkannt.
    Starr und unbeteiligt sah ich zu, wie sie sich an mir vorbeischoben und auf den Waldrand zusteuerten, um sich dann der Festung zuzuwenden, aus der ich gerade gekommen war. Ich war keine Beute. Ich war nicht mehr als ein Leichnam, eine Kreatur, deren Herz nicht schlug, deren Atem stillstand, die weder nach Schweiß noch nach Angst roch. Ich war tot.
    Genau wie sie.
    »Du bist ein Vampir«, hatte Kanin vor einer halben Ewigkeit gesagt. » Sie sind die Schafe, du bist der Wolf – stärker, schneller und brutaler, als sie jemals sein wer den. Sie sind Nahrung, Allison Sekemoto. Und der Dämon tief in deinem Inneren wird nie etwas anderes in ihnen sehen.«
    Wieder ließ ein Blitz die Bäume aufleuchten. Hinter mir ragte die Festung der Archers über den Feldern auf, markiert durch ein paar schwache Feuer, die das Gewitter fast schon ertränkt hatte. Nun würden weniger Menschen auf ihren Plattformen sitzen und dank ihrer begrenzten menschlichen Sehkraft durch Regen und Rauch kaum etwas sehen können.
    »Du bist ein Vampir«, flüsterte Stick mit schreckgeweiteten Augen. »Ein Vampir!«
    Inzwischen hatten die Verseuchten den Waldrand erreicht und hielten inne. Vier bleiche, reglose Killer, die lautlos die Festung auf dem Hügel anstarrten. Ich fragte mich, wie viele von ihnen wohl hinter den Feldern in der Finsternis lauerten und mit der unerschütterlichen Geduld der Toten ihre Beute fixierten. Wenn Jebbadiah seine Leute heute Nacht aus der Festung führte, würden sie damit direkt in eine Falle laufen. Und selbst wenn es ihnen gelingen sollte, sie zu töten oder zu vertreiben, dann sicher nicht ohne Verluste in den eigenen Reihen.
    Na und? Entschlossen steckte ich mein Schwert weg und wandte den Verseuchten – und damit auch den Menschen hinter dem Schutzwall – den Rücken zu. Ich hatte versucht, mich anzupassen, und sie hatten mich verjagt. Sollten sie doch von den Verseuchten abgeschlachtet werden, was ging es mich an? Ich war ein Vampir, die Menschen kümmerten mich nicht länger.
    »Das ist das letzte Mal, dass ich dir einen Gefallen tue«, sagte Zeke mit kalter Stimme. »Sollte ich dich jemals wiedersehen, werde ich dich töten.«
    Meine Brust war plötzlich wie eingeschnürt. Von all den Lügen, Intrigen und hinterhältigen Attacken war das die schmerzhafteste gewesen. Das war etwas anderes als Sticks Verrat, denn obwohl wir so lange Zeit Freunde gewesen waren, hatte ich tief in meinem Inneren doch immer gewusst, dass Stick mich nur benutzte. Und dass er jederzeit bereit war, mich fallen zu lassen, wenn sich eine bessere Gelegenheit bot. Zeke war anders. Er kümmerte sich um andere, weil es ihm wirklich wichtig war, nicht weil er eine Gegenleistung erwartete. Eine solche Einstellung war nicht von dieser Welt. Egal ob auf der Straße, im Saum oder sonst wo – überall war man auf sich allein gestellt. Ich hatte schon früh gelernt, dass man im Leben nichts geschenkt bekam und dass es immer einen Haken gab. So standen die Dinge nun einmal.
    Aber nicht für Zeke. Zeke hatte mich wie einen Menschen behandelt, wie eine Gleichgestellte. Er hatte sich für mich stark gemacht, mir geholfen, mir Dinge geschenkt, als wäre das völlig selbstverständlich. Hatte sich gekümmert, weil er nun einmal so war.
    Wodurch es noch schmerzhafter wurde, herauszufinden, dass seine Sprüche zum Thema Vertrauen auch nur Lügen gewesen waren, als seine Augen hart und kalt wurden und er sich von mir abwandte, als wäre ich ein Monster.
    »Du bist ein Monster« , hörte ich wieder Kanins tiefe Stimme in meinem Kopf, während ich mich zwang, weiterzugehen. »Du wirst immer ein Monster sein, daran führt nun kein Weg mehr vorbei. Doch welche Art von Monster du sein willst, liegt allein bei dir.«
    Ich biss mir auf die Lippen. Diesen Teil hatte ich vergessen. Einen Moment lang stand ich unschlüssig da. Der Wind zerrte an meinen Haaren und meiner Kleidung und fegte durch die Zweige über meinem Kopf. Die Leuchtfeuer jenseits der Felder brannten immer schwächer, was die Verseuchten am Waldrand zunehmend rastloser werden ließ.
    Zeke hat dich verraten , zischte eine leise, wütende Stimme in mir. Er ist keinen Deut besser als Jebbadiah oder der Rest von ihnen. Du bist nichts weiter als

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