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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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ein Dämon, den sie jagen und abknallen wollen. Was kümmert es dich, ob er es bis nach Eden schafft? Warum sollte dich das Schicksal dieser Menschen interessieren?
    Weil …
    Weil es mich nun einmal interessierte, stellte ich fest. Diese kleine, sture Menschengruppe, die auf der Suche nach einem besseren Leben jeder Herausforderung trotzte, lag mir am Herzen. Es berührte mich, dass sie Verseuchtenangriffe, Hunger und grauenhafte Lebensumstände in Kauf nahmen, nur um ihrem Traum zu folgen und sich an das bisschen Hoffnung klammern zu können, auch wenn sie tief in ihrem Inneren wussten, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war. Ich dachte an Caleb und Bethany. Ich hatte ihnen gesagt, dass es in Eden Ziegen gäbe. Sie durften jetzt nicht sterben, durften nicht verhungern oder von den Verseuchten in Stücke gerissen werden. Ich wünschte mir, dass sie es schafften, dass sie alle Widerstände überwanden und bis zum Schluss durchhielten. Konnte ich sie denn wirklich eben jenen Monstern ausliefern, die mich getötet hatten?
    »Nein.«
    Beim Klang meiner Stimme drehten sich die Verseuchten fauchend um. Ganz langsam wandte ich mich ihnen zu, und wieder starrten wir einander an, während der Wind um uns herumheulte.
    »Nein«, wiederholte ich, woraufhin die Verseuchten drohend die Zähne fletschten. »Ich bin nicht wie ihr. Und ich bin auch nicht wie die Vampire in der Stadt. Vielleicht bin ich ja wirklich ein Monster, aber ich kann auch menschlich sein. Ich kann mich dafür entscheiden , menschlich zu sein.« Mit einer fließenden Bewegung zog ich mein Schwert und ließ die Klinge im Mondlicht funkeln. Fauchend gingen die Verseuchten in die Hocke und fixierten die Waffe. Ich trat vor, fletschte die Zähne und knurrte sie an. »Kommt schon, ihr Mistkerle«, rief ich drohend. »Wenn ihr sie haben wollt, müsst ihr zuerst an mir vorbei!«
    Die Verseuchten kreischten, fauchten und knirschten mit den Zähnen. Ich stieß einen Kampfschrei aus und spürte, wie der Dämon in meinem Inneren erwachte und die Gewalt schmeckte, die in der Luft lag. Dieses eine Mal war er mir willkommen. Mit erhobenem Schwert stürmte ich los.
    Mir war kaum bewusst, was ich tat: Überall waren funkelnde Zähne und wirbelnde Klauen, schrilles Kreischen ertönte, Verseuchte flogen durch die Luft, und mein Schwert sang, während ich in einem tödlichen Tanz die Monster ringsum in Stücke schnitt. Ihr schmutziges, stinkendes Blut tränkte die Erde und die Bäume, ihre Schreie wurden vom Wind davongetragen. Der Lärm des Kampfes zog immer mehr von ihnen an, die sich furchtlos in das Chaos stürzten. Aber ich machte sie alle nieder und schleuderte ihnen knurrend meinen Hass, meinen Zorn und meinen Rachedurst entgegen. Sie waren zu langsam, zu dumm, stürzten sich mit wilder, animalischer Wut in meine Klinge. Ich wirbelte herum, ging nahtlos von einem Angriff zum nächsten über, versenkte meine Waffe in ihren bleichen, kreischenden Körpern und spürte, wie das Schwert meine Hand führte.
    Als alles vorbei war, stand ich im Zentrum eines Massakers: zerkratzt, blutend und umgeben von blassen, verstümmelten Leichen. Wie immer meldete sich der Hunger in mir, doch ich drängte ihn zurück. Ich war ein Vampir. Daran würde sich nichts ändern. Aber ich musste nicht zwangsläufig ein Monster sein.
    Sorgfältig wischte ich das Verseuchtenblut von der Klinge und schob sie in die Scheide zurück, bevor ich mich wieder den Feldern zuwandte. Die Festung ragte dunkel und still von ihrem Hügel auf, umgeben von dichten Qualmwolken. Ich lehnte mich gegen einen Baum und fixierte das eiserne Tor, wartete auf das Quietschen und Ächzen des Metalls, wenn es sich öffnete. Es vergingen Stunden, in denen der Sturm sich austobte und irgendwann Richtung Osten weiterzog, doch das Tor rührte sich nicht.
    Wahrscheinlich zieht Jeb die Sicherheit der Festung vor, solange hier draußen ein Vampir lauern könnte , überlegte ich mir und warf nervös einen Blick Richtung Himmel. Noch ungefähr eine Stunde bis zur Dämmerung – heute Nacht würden sie wohl nirgendwo mehr hingehen. Offenbar gibt es doch ein paar Dinge, die Jeb zu einer Pause bewegen können.
    Vierzig Minuten später zeigten sich die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont und die Vögel fingen an zu zwitschern. Ich wollte mir gerade einen Schlafplatz suchen, als ich das Ächzen des Eisentores hörte.
    Sie brechen auf? Jetzt? Schockiert sah ich zu, wie die Torflügel sich öffneten und eine kleine Gruppe von Menschen

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