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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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schrille Stimme hallte durch die Nacht und zerrte an meinen Nerven. Innerhalb weniger Minuten würde jeder männliche Bewohner der Festung mit Axt, Mistgabel oder Schusswaffe hinter mir her sein. Ich musste so schnell wie möglich verschwinden, aber vorher war da noch das Problem mit Zeke.
    Als ich mein Schwert zog, erstarrte er, griff dann aber nach seiner Machete, ohne dass die Pistole auch nur einen Zentimeter von ihrem Ziel abgewichen wäre. Tiefe Verzweiflung erfasste mich und drohte, mich zu ersticken. Ich würde gegen ihn kämpfen müssen. Zeke würde mich nicht einfach gehen lassen, nicht nach dieser Sache mit Ruth. Ich hätte ihm gern gesagt, wie leid mir das alles tat, aber ich wusste nur zu gut, dass er mir kein Gehör schenken würde. Es tut mir leid, dass es so enden muss. Aber du wirst mich niemals ziehen lassen, und ich werde nicht einfach hier rumstehen und sterben. Nicht einmal dir zuliebe.
    »Die wird mich nicht aufhalten«, erklärte ich ihm und verlagerte mein Gewicht, um jederzeit ausweichen zu können. »Ich bin wesentlich schneller als du. Selbst wenn du mir das gesamte Magazin ins Herz jagst, wird es mich nicht umbringen. Ich bin bereits tot.«
    »Es wird dich vorübergehend behindern«, erwiderte Zeke und ließ elegant die Machete kreisen, sodass die scharfe Klinge im Regen funkelte. »Mehr Zeit werde ich nicht brauchen.« Langsam und vorsichtig machte er einen Schritt zur Seite, und ich folgte seiner Bewegung. Mit gezogenen Waffen umkreisten wir einander und ließen uns keinen Moment aus den Augen. Der Verseuchte fauchte und knurrte in seinem Käfig.
    »Wie viele?«, fragte Zeke mit steinerner Miene. Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Wie viele von uns hast du gebissen?«, präzisierte er kalt. »Von wem hast du dich genährt? Caleb? Darren? Muss ich mir jetzt Sorgen machen, dass sie sich auch in Verseuchte oder Vampire verwandeln?«
    »Ich habe nie irgendeinen von euch gebissen«, giftete ich zurück. Es machte mich wütend, dass er mir das zutraute, obwohl ich es ihm eigentlich nicht verübeln konnte. Was sollte er auch sonst denken? »Ich habe mich kein einziges Mal von euch genährt«, fuhr ich etwas ruhiger fort. »Und so läuft das auch nicht. Um jemanden in einen Verseuchten zu verwandeln, müsste ich ihn töten.«
    »So wie Joe.«
    Obwohl mir bei dem Gedanken an ihn ganz schlecht wurde, versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. »Ich … ich wollte nicht, dass das passiert«, sagte ich eindringlich. »Und es hat vielleicht auch gar keine Rolle gespielt. Immerhin könnte er schon durch das Wildschwein infiziert worden sein.« Doch es war eine lahme Ausrede, die ich selbst kaum glaubte, und ich wusste, dass es Zeke nicht anders ging. In seiner Vorstellung hatte allein ich diesen Verseuchten erschaffen.
    Er schüttelte den Kopf. »Du hast uns nur benutzt«, sagte er so leise, als sei dies eine schmerzhafte Erkenntnis. »Die ganze Zeit. Jetzt ergibt alles einen Sinn – du hast nie an Eden geglaubt, an nichts von alledem. Du warst nur auf eine einfache Futterquelle aus. Und ich bin voll drauf reingefallen.« Wütend biss er die Zähne zusammen. »Gott, ich habe Caleb und Bethany mit einem Vampir allein gelassen.«
    Mir wurde das Herz schwer, während ich mir gleichzeitig verraten vorkam. Das hier war ein anderer Zeke, der Schüler von Jebbadiah Crosse, dem sein Leben lang eingebläut worden war, die Vampire und alles, was mit ihnen zusammenhing, zu verabscheuen. Seine Augen waren eiskalt, seine Miene verschlossen und undurchdringlich. Für ihn war ich nun nicht mehr Allison, sondern ein namenloser Dämon, der Feind, eine Kreatur, die vernichtet werden musste.
    Das war’s dann also. Ich packte meine Waffe fester und registrierte, wie er meinem Beispiel folgte. Wieder umkreisten wir einander und suchten nach einer Lücke in der Deckung des anderen. Durch die Pistole hatte er die größere Reichweite, aber ich hätte wetten können, dass Zeke nicht die geringste Ahnung hatte, wie schnell sich ein echter Vampir bewegte. Eine Schusswunde würde verdammt wehtun, doch nach der ersten Runde wäre ich nah genug dran, um …
    Zögernd blieb ich stehen. Um was zu tun? Ihn zu töten? Ihn abzuschlachten wie diese Banditen oder das verseuchte Wildschwein? Schon jetzt spürte ich die Blutlust, den Drang zur Gewalt in meinem Inneren. Selbst wenn ich ihn nur entwaffnete, konnte ich mir selbst nicht trauen, besser gesagt meinem Dämon, der sich auf ihn stürzen und ihn in Stücke reißen

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