Tor der Daemmerung
ein Stein, ein Teil der Landschaft und der Nacht. Wiederholt suchte Zeke den Friedhof ab und fixierte selbst die dunkelsten Schatten. Einmal schaute er direkt in meine Richtung, so als würden wir einander in die Augen sehen, aber dann wanderte sein Blick weiter, ohne mich bemerkt zu haben.
»Ezekiel.« Ungeduldig drehte Jebbadiah sich nach seinem Zögling um. »Was gibt es denn da zu sehen?«
Zeke löste sich von seiner Stütze. »Gar nichts, Sir. Ich dachte, ich hätte etwas gehört …« Dann schüttelte er den Kopf. »Nicht wichtig. Wahrscheinlich nur ein Waschbär.«
»Warum stehst du dann noch da rum?«
Mit einer gemurmelten Entschuldigung wandte Zeke sich ab und verschwand gemeinsam mit Jeb in der Kirche. Ich ließ mich zu Boden sinken. Wut und Hunger tobten in mir.
Der Geruch von Zekes Blut hing immer noch in der Luft, wenn auch schwächer als während seiner Anwesenheit. Ich musste hier weg – je länger ich blieb, umso mehr gierte ich danach. Und falls Zeke, oder noch schlimmer Jebbadiah, auf den Friedhof zurückkäme, wäre ich vielleicht nicht mehr in der Lage, mich zurückzuhalten, und würde über ihn herfallen.
Die Wolken am Himmel waren bereits rosa angehaucht, die Sonne würde also nicht mehr lange auf sich warten lassen. Hastig grub ich mich in der Friedhofserde ein und verdrängte den Gedanken daran, wer oder was hier sonst noch unter dem Gras und den Grabsteinen verscharrt sein könnte. Tröstlich dunkel schloss sich die Erde um mich und ich ergab mich der Finsternis des Schlafes, die mich bereits erwartete.
Und zum ersten Mal, seit ich New Covington verlassen hatte, träumte ich.
Eine dunkle, leere Stadt.
Wolkenkratzer, die sich aneinanderlehnen wie umgestürzte Bäume.
Von Wut durchtränkte Erinnerungen. Hätte nie in meiner Wachsamkeit nachlassen dürfen. Hätte die Falle erkennen müssen. Ich war achtlos.
Blitze zuckten und tauchten die Welt für eine Sekunde in grelles Weiß. Und in dem stillen Moment zwischen dem Licht und dem Dröhnen des Donners sah ich ihn.
Er lächelte.
19
Sobald ich in der absoluten Dunkelheit die Augen aufschlug, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Um mich herum war alles schwarz, aber ich hörte von oben gedämpften Lärm und spürte Vibrationen im Erdreich, so als wäre ich unter Wasser, während an der Oberfläche gekämpft wurde.
Hastig wühlte ich mich aus dem Dreck, doch kaum hatte ich den Friedhofsboden durchbrochen, schlug eine solche Hitzewelle über mir zusammen, dass ich fauchend zurückwich.
Die Kirche brannte. Glühend rote und gelbe Flammen züngelten aus den Fenstern und leckten an den Mauern. Sie hatten bereits das Kreuz auf dem Dach erfasst, es sah aus wie eine flackernde Gestalt, die mit ausgebreiteten Armen die Qualen willkommen hieß, die sie verzehrten.
Der Vampir in mir krümmte sich zischend, wollte fliehen und sich wieder in der kühlen Erde verstecken, wo das Feuer mich nicht erreichen würde. Mühsam kämpfte ich gegen diesen Instinkt an, richtete mich auf und suchte verzweifelt nach einem Zeichen von Zeke oder den anderen.
Plötzlich übertönten dröhnende Motoren das Prasseln der Flammen und auf der Straße fielen kurz nacheinander vier Schüsse. Ich rannte los, sprang über die Grabsteine hinweg und zog bereits mein Schwert, als ich an der verlorenen Kirche vorbei sprintete. Die kleine Straße machte einen Knick, aber dahinter sah ich den Eingang der Gasse, an dem gerade etwas vorbeischoss – etwas Dröhnendes, das Qualm ausspuckte und in dem trüben, flackernden Licht metallisch glänzte. Motorräder, Männer und Waffen.
Banditen. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Jackals Gang war hier.
Ungebremst stürmte ich aus der Gasse und riss mit gefletschten Zähnen mein Schwert hoch, als gleichzeitig einer der Banditen auf mich zuraste. Der Lärm seiner Maschine wurde von den hohen Mauern zurückgeworfen. Als ich seinem Vorderrad nur haarscharf auswich, stieß er einen überraschten Schrei aus, doch ich schlug bereits mit dem Schwert nach seiner Lenkstange. Der Bandit wich unsicher aus, sodass meine Klinge ihn knapp verfehlte, und krachte dann gegen eine Mauer. Ich hörte Metall ächzen und Knochen knirschen, bevor der Fahrer bewusstlos auf den Asphalt fiel und unter seiner Maschine begraben wurde.
Hinter mir schrie jemand, und sofort wirbelte ich herum. Über einen Haufen Schrottautos hinweg starrten mich drei verblüffte Menschen an. Zwei von ihnen waren gerade damit beschäftigt, jemanden zu fixieren,
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