Tor der Daemmerung
den Helm aufsetzte. »Das Ding hat ganz schön Power.«
Ich gab Gas – vielleicht etwas mehr, als nötig gewesen wäre – und die Maschine machte einen Satz. Kreischend klammerte sich Zeke an meine Schultern. »Tut mir leid«, rief ich nach hinten, während er widerwillig die Arme um meinen Bauch schlang. »Wie gesagt, ich übe noch.«
Diesmal versuchte ich es etwas langsamer und wir glitten problemlos über den Asphalt. An der Hauptstraße hielt ich an und blickte über die Schulter. Zekes Gesicht wirkte angespannt, Arme und Rücken waren verkrampft. Entweder kam das von den Schmerzen, oder er fühlte sich extrem unwohl, oder beides.
»Bereit?«, fragte ich, und er nickte. »Dann halt dich gut fest. Ich will mal sehen, wie schnell das Ding werden kann.«
Seine Arme schlossen sich enger um mich und sein Herz pochte wie wild an meinem Rücken. Ich schob das Motorrad Richtung Osten und setzte es mit dröhnendem Motor in Bewegung. Sofort legten wir an Geschwindigkeit zu. In meinen Ohren heulte der Wind, während wir schneller und schneller wurden, vor uns nichts als die leere Straße. Immer enger drückte Zeke sich gegen meine Rippen und legte irgendwann sogar den Kopf an meine Schultern, aber ich hielt das Gesicht in den Fahrtwind und stieß einen Freudenschrei aus.
Über uns hing der große, helle Mond und tauchte unseren Weg in blasses Licht. So flogen wir über die Ebene dahin, immer Richtung Osten, zum Ende der Straße.
Ich hätte ewig weiterfahren können. Der Wind in meinen Haaren, die weite Straße vor mir, das irre Tempo, mit dem wir dahinrasten – das wurde nie langweilig. Aber leider zwangen uns die nahende Dämmerung und Zekes Zustand wenige Stunden vor Sonnenaufgang zu einer Pause. Ich hielt an einem verfallenen Bauernhaus, wo wir uns ausruhen und Zekes Bein neu verbinden konnten. Nachdem wir die Rattenkolonie vertrieben hatten, die sich in der maroden Küche häuslich niedergelassen hatte, nötigte ich Zeke, sich an den Tisch zu setzen, damit ich mir seine Wunde ansehen konnte. Sie schien sich zwar nicht entzündet zu haben, aber ich schüttete trotzdem wieder großzügig Wasserstoffperoxid darüber, bevor ich saubere Watte auflegte. Der strenge Geruch der Chemikalien vermischte sich mit dem von Zekes Blut, sodass mir übel wurde, was ich als unverhofften Segen ansah. Solange er so stark nach Desinfektionsmittel roch, würde mich wohl kaum der Drang überkommen, ihn zu beißen.
»Danke«, murmelte er leise und stand auf, während ich das alte Verbandsmaterial aufsammelte, um es draußen zu vergraben. Ich glaubte zwar nicht, dass es hier Verseuchte gab, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Und Verseuchte hatten wahrscheinlich keine Probleme damit, nach Peroxid stinkendes Blut zu trinken.
»Allison.«
Wachsam drehte ich mich um. Der Ton seiner Stimme verriet mir, dass er sich gerade genauso unwohl fühlte wie ich. Zeke schwieg einen Moment, fast so als sei er nicht sicher, ob er noch mehr sagen sollte, dann sank er seufzend in sich zusammen.
»Warum bist du zurückgekommen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Aus Langeweile? Weil ich kein bestimmtes Ziel hatte? Weil es eine gute Idee zu sein schien? Such dir was aus.«
»Ich hätte dich erschossen«, erklärte Zeke leise und starrte angestrengt zu Boden. »Wenn ich dich in unserer Nähe erwischt hätte? Dann hätte ich alles versucht, um dich zu töten.«
»Tja, hast du aber nicht«, erwiderte ich schärfer als beabsichtigt. »Und das ist jetzt auch egal. Aber wenn du beim nächsten Mal etwas dagegen einzuwenden hast, dass ich dir das Leben rette, musst du es nur sagen.« Damit wandte ich mich ab.
»Warte«, rief Zeke hastig, dann seufzte er wieder und fuhr sich durch die Haare. »Es tut mir leid.« Endlich sah er mir in die Augen. »Ich gebe mir wirklich Mühe, Allison. Aber … du bist ein Vampir , und …« Frustriert wedelte er mit der Hand. »Und … so etwas hatte ich nicht erwartet … nichts davon.«
»Ich habe niemanden gebissen«, sagte ich ruhig. »Das ist die Wahrheit, Zeke. Ich habe mich nie von Gruppenmitgliedern genährt.«
»Das weiß ich, ich dachte nur …«
»Aber ich wollte es.«
Abrupt sah er hoch. Ich hielt seinem Blick stand und fuhr mit ausdrucksloser Miene fort: »Es gab einige Gelegenheiten, bei denen ich mich von euch hätte nähren können«, erklärte ich ruhig. »Von dir, Caleb, Darren oder Bethany. Und es war verdammt hart, sie nicht zu beißen, sie nicht als Nahrungsquelle zu sehen. Der Hunger ist mein
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