Tor der Daemmerung
Bohnen, wie es aussah –, und in der Mitte stand eine brennende Kerze. Offensichtlich hatte er einen Essensvorrat entdeckt. »Wir sollten besser noch einmal deinen Verband kontrollieren, bevor wir aufbrechen.«
»Weißt du, ich habe nachgedacht«, erwiderte Zeke vorsichtig und folgte mir humpelnd ins Wohnzimmer. Ja, er sah an diesem Abend eindeutig besser aus: Nahrung, Ruhe und Schmerzmittel zeigten Wirkung. »Darüber, was du letzte Nacht gesagt hast. Ich will mehr über Vampire erfahren … und zwar von dir. Bisher weiß ich nur das, was Jeb mir erzählt hat.«
Mit einem abfälligen Schnauben hob ich den Rucksack vom Boden auf. »Dass wir bösartige, seelenlose Dämonen sind, deren einziger Daseinszweck darin besteht, Blut zu trinken und Menschen in Monster zu verwandeln?«, riet ich spöttisch, während ich nach dem Verbandszeug suchte.
»Genau«, nickte Zeke ernsthaft.
Als ich ihn prüfend ansah, zuckte er mit den Schultern. »Gestern warst du ehrlich zu mir«, erklärte er. »Du hast mir nicht gesagt, was ich hören wollte oder was ich erwartet hätte. Also dachte ich mir … ich könnte mir deine Version der Geschichte anhören. Dir wirklich zuhören, wenn du es mir erzählen möchtest – warum du ein Vampir geworden bist, was dich dazu gebracht hat …« Er unterbrach sich.
»Eine Untote zu werden? Das Blut der Lebenden zu trinken?« Ich fand Desinfektionsmittel und Watte und legte beides vor der Couch zurecht. »Mir nie wieder Gedanken machen zu müssen, ob ich einen Sonnenbrand riskiere? Na ja, einmal vielleicht schon noch.«
Irritiert runzelte er die Stirn. »Wenn du es mir nicht sagen willst, ist das auch okay.«
Ich deutete auf das Sofa und er setzte sich, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Konzentriert kniete ich mich hin und begann, die Bandage abzuwickeln. »Was möchtest du wissen?«
»Wie alt bist du?«, fragte Zeke sofort. »Ich meine … wie lange bist du schon … ein Vampir?«
»Nicht lange. Höchstens ein paar Monate.«
»Monate?«
Das klang so schockiert, dass ich kurz den Kopf hob. »Ja. Was dachtest du denn, wie lange schon?«
»Na ja, nicht … Monate.« Verwundert schüttelte er den Kopf. »Vampire sind unsterblich, also dachte ich … vielleicht …«
»Was? Dass ich Hunderte von Jahren alt wäre?« Bei dem Gedanken musste ich grinsen, also beugte ich mich schnell wieder über sein Bein. »Ob du es glaubst oder nicht, das alles ist noch ziemlich neu für mich, Zeke. Es gibt noch genug, was ich selbst erst herausfinden muss.«
»Das wusste ich nicht«, stellte er leise fest. »Dann bist du also tatsächlich in meinem Alter.« Das musste er wohl erst verarbeiten, denn er schüttelte wieder verwundert den Kopf. »Und was ist dir zugestoßen?«
Ich zögerte. In mir sträubte sich alles dagegen, über mein früheres Leben zu sprechen oder mich auch nur daran zu erinnern – die Vergangenheit war vorüber, warum sich lange mit etwas aufhalten, das sich nicht mehr ändern ließ? Aber Zeke versuchte aufrichtig, mich zu verstehen. Da schuldete ich ihm zumindest eine Erklärung. Und zwar die Wahrheit.
»Als ich sagte, ich wäre in einer Vampirstadt geboren, war das nicht gelogen«, begann ich und konzentrierte mich ganz auf meine Hände, um ihn nicht ansehen zu müssen. »Meine Mutter und ich … wir lebten in einem kleinen Haus in einem der Sektoren. Sie war registriert, was bedeutete, dass sie zweimal im Monat in die Klinik gehen musste und dort ›zur Ader gelassen‹ wurde. Alles lief ganz zivilisiert ab, zumindest wollten die Vampire uns das glauben machen. Keine erzwungenen Bisse, keine gewalttätigen, schmutzigen Todesfälle.« Ich schnaubte abfällig. »Und trotzdem verschwanden immer wieder Menschen. Vampire sind Jäger. Das kriegt man nicht aus ihnen – aus uns – raus, ganz egal, wie strukturiert alles geplant wird.«
Ich spürte, dass Zeke sich plötzlich unwohl fühlte, mein Geständnis, dass alle Vampire mehr oder weniger Killer waren, schien ihn zu beunruhigen. Tja, er wollte die Wahrheit hören – keine Lügen mehr, keine Tricks. Ich war ein Vampir, und so lagen die Dinge nun einmal. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass er das akzeptieren würde.
Vorsichtig zog ich die alte Watte von der Wunde. Sie war noch immer tief und stark gerötet, aber nicht entzündet. Ich fuhr fort: »Jedenfalls wurde meine Mom eines Tages krank. Da sie nicht mehr aufstehen konnte, verpasste sie ihren Termin für den Aderlass. Zwei Tage später kamen die Lakaien und holten sich die
Weitere Kostenlose Bücher