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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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zusammenzuckte.
    »Aber klar doch, Pissnelke!« Er nahm Stick die Büchse aus der Hand, riss den Deckel auf und gab sie ihm zurück. »Wahnsinn! Das ist ja wohl das Größte, was wir jemals gesehen haben, oder?« Stick war so überwältigt, dass er fast die offene Dose fallen gelassen hätte, aber Rat schien es gar nicht zu bemerken. Er hob zwei weitere Konserven auf, öffnete sie und fing an, sich mit seinen langen, schmutzigen Fingern das Essen in den Mund zu schaufeln.
    »Wir haben eigentlich keine Zeit dafür«, sagte ich vorsichtig, aber nicht einmal Lucas hörte mehr zu, sondern war eifrig dabei, sich ebenfalls eine Büchse aufzumachen. Stick warf mir noch einen entschuldigenden Blick zu, bevor er seine Hände in die Bohnen versenkte und sie mit ebenso viel Genuss verschlang wie Rat, dessen Gesicht schon mit der schleimigen Flüssigkeit verschmiert war.
    »Jungs!«, versuchte ich es noch einmal. »Wir können nicht hier rumstehen und uns die ganze Nacht den Bauch vollhauen. Uns rennt die Zeit davon.« Aber sie waren taub für alles, was ich vorbringen mochte, trunken von dieser Menge an Essen und der Aussicht, sich die Mägen zu füllen. Das eine lernt jeder Unregistrierte: Wenn man etwas Essbares findet, muss man so viel wie möglich in sich reinschaufeln, weil man nie weiß, wann es die nächste Mahlzeit geben wird. Trotzdem ließ mich der Gedanke nicht los, dass sie sich gerade für die Kreaturen mästeten, die uns fressen wollten.
    Der Sturm war stärker geworden, drückte heulend gegen die Schuppenwände und ließ sogar Wasser durch die Falltür tropfen. In dem schwindenden Zwielicht war es fast schon dunkel, da die Wolken das verbliebene Sonnenlicht schluckten. Mit zusammengekniffenen Augen ließ ich den Blick über die Leiter nach oben wandern. Es war fast unmöglich, die Ritzen in den Bretterwänden zu erkennen, aber dennoch glaubte ich, eine Bewegung wahrzunehmen. Das konnte ein Ast sein, der im Wind schaukelte – oder auch reine Einbildung.
    Ich knipste die Taschenlampe aus und der Raum wurde in Dunkelheit getaucht. Nach einem erschrockenen Quieken von Stick folgte Schweigen, als alle realisierten, was vorging.
    »Da draußen ist etwas«, durchbrach ich die Stille. Mein Herz pochte schmerzhaft gegen die Rippen. Und einen kurzen Moment lang fragte ich mich, warum ich so dämlich gewesen war, sie alle hierher zu bringen. Stick hatte recht. Das war ein Fehler gewesen. Jetzt in der Dunkelheit, mit dem heulenden Sturm da draußen, schienen diese ganzen Vorräte nicht mehr wichtig genug zu sein, um dafür zu sterben. »Wir müssen hier raus, sofort.«
    »Schnappt euch die Rucksäcke!« Lucas klang leicht beschämt, als er sich mit dem Handrücken den Mund abwischte. Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu, und obwohl es schwierig war, in den Schatten seine Miene zu lesen, musste er ihn bemerkt haben. »Wir werden nicht mit leeren Händen gehen«, erklärte er. »Aber beeilt euch. Nehmt so viel mit, wie ihr könnt, aber nicht so viel, dass es euch beim Laufen behindert. Wir können sowieso nicht alles auf einmal wegschaffen.« Ich wollte etwas einwenden, doch er schnitt mir mit einer ruppigen Geste das Wort ab. »Bewegung, Leute!«
    Ohne Widerspruch knieten sich Rat und Stick auf den Boden und stopften möglichst leise die Dosen in ihre Rucksäcke. Nach einer Sekunde öffnete ich meinen Sack und schloss mich ihnen an. Minutenlang war nichts zu hören außer dem Scheppern von Metall auf Metall und dem Regen, der auf das Dach trommelte.
    Daneben nahm ich Sticks hektische Atemzüge und Rats leise Flüche wahr, wenn er in seiner Eile Konserven fallen ließ, statt sie einzupacken. Schweigend arbeitete ich vor mich hin und blickte erst auf, als mein Rucksack voll war. Nachdem ich den Reißverschluss zugezogen hatte, wuchtete ich ihn mir auf die Schultern und verzog das Gesicht – ganz schön schwer. Dadurch würde ich vielleicht etwas langsamer werden, aber Lucas hatte recht: Wir waren zu weit gekommen, um jetzt mit leeren Händen abzuziehen.
    »Alle fertig?«, fragte Lucas knapp, doch seine Stimme klang in der Dunkelheit sehr leise und irgendwie unsicher. Rat und Stick zogen ihre Taschen zu und richteten sich auf. Stick stöhnte unter dem Gewicht seines halb gefüllten Sacks. »Dann verschwinden wir jetzt. Allie, du gehst voran.«
    Langsam und vorsichtig kletterten wir die Leiter hinauf. Inzwischen ergoss sich das Wasser in kleinen Sturzbächen in den Schuppen und durchnässte alles. Irgendwo in der Dunkelheit

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