Tor der Daemmerung
während immer zwei oder drei der Kerle aus dem Kreis hervortraten und auf ihn einprügelten und zutraten. Ganz in der Nähe lag ein zweites Opfer, das sich schon nicht mehr rührte. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit zerschunden. Beim Anblick der gebrochenen Nase und der leeren Augen drehte sich mir der Magen um. Doch dann stieg mir der Geruch des Blutes in die Nase, stärker als je zuvor, und bevor es mir bewusst wurde, löste sich aus meiner Kehle ein leises Knurren.
Die Gangmitglieder lachten zu laut, um etwas zu hören, sie waren so auf ihr Tun konzentriert, dass sie uns überhaupt nicht bemerkten. Kanin ging einfach weiter auf sie zu. So gelassen wie bei einem Mondscheinspaziergang näherte er sich vollkommen lautlos ihrem Kreis. Wir hätten direkt an ihnen vorbeischlendern und in der Nacht verschwinden können, doch als wir die Schläger fast erreicht hatten und sie uns noch immer nicht wahrnahmen, trat Kanin absichtlich gegen eine kaputte Glasflasche, die daraufhin klirrend über den Asphalt rollte.
Da blickten die Blood Angels hoch.
»Guten Abend«, grüßte Kanin mit einem höflichen Nicken. Er lief an dem Kreis entlang, allerdings langsamer als zuvor. Schweigend folgte ich ihm, versuchte mich unsichtbar zu machen und hoffte, dass die Gang uns ohne Ärger ziehen lassen würde.
Doch ein Teil von mir, ein fremdartiger, hungriger Teil, behielt die Menschen aufmerksam im Blick und hoffte, dass sie versuchen würden, uns aufzuhalten.
Dieser Wunsch sollte sich erfüllen. Raunend und fluchend stellte sich uns die gesamte Gruppe in den Weg. Kanin blieb stehen und sah unbewegt zu, wie einer der Typen, dessen Augenbraue von einer Narbe gespalten wurde, vortrat und entrüstet den Kopf schüttelte.
»Seht euch das an«, sagte er und grinste erst Kanin, dann mich breit an. »Was haben wir heute doch für ein Glück, was, Jungs?«
Kanin schwieg. Ich fragte mich, ob er fürchtete, etwas an seiner Stimme könnte ihnen verraten, wer wir waren. Vielleicht wollte er unsere Beute nicht vergraulen.
»Na so was – der hat dermaßen die Hosen voll, dass es ihm die Sprache verschlagen hat.« Um uns herum wurde abfälliges Gelächter laut. »Daran hättest du denken sollen, bevor du in unser Revier eingedrungen bist, Lakai.« Narbengesicht trat vor, angetrieben von den spöttischen Kommentaren seiner Gang. »Willst du vielleicht die Hosen runterlassen, damit wir deinen blanken Arsch küssen können, Laka i ?« Er spuckte das Wort förmlich aus, dann wanderte sein Blick zu mir und sein Grinsen wurde schmierig. »Oder vielleicht hebe ich mir das auch für das süße kleine Chinesenpüppchen auf. Wir kriegen hier nicht oft Huren zu sehen, oder, Jungs?«
Ich spürte, wie meine Oberlippe sich angewidert verzog. »Wenn du mir mit deiner dreckigen Fresse zu nahe kommst, werde ich sie dir polieren«, fauchte ich. Jubelnd schoben sich die Gangmitglieder näher heran.
»Oho, die Kleine hat Temperament!« Narbengesicht grinste noch breiter. »Na, hoffentlich reicht das auch für alle. Du hast doch nichts dagegen, mit uns zu teilen, oder, Lakai?«
»Nur zu.« Kanin trat beiseite. Fassungslos starrte ich ihn an, während Narbengesicht und seine Gang in höhnisches Gelächter ausbrachen.
»Der Lakai scheißt sich gleich in die Hose!«
»Was für ein Mann, versteckt sich hinter einem Mädchen!«
»Hey, danke, Lakai«, rief Narbengesicht. Jetzt war sein Lächeln nur noch bösartig. »Ich bin so gerührt, dass ich dich diesmal noch laufen lasse. Danke für das Chinesenpüppchen! Wir werden darauf achten, dass es nicht zu schnell kaputtgeht.«
»Was machst du denn?«, zischte ich. Ich kam mir verraten und verkauft vor. Die Schläger traten lachend näher und ich wich zurück, um einerseits sie im Auge behalten und gleichzeitig Kanin einen finsteren Blick zuwerfen zu können. »Was ist aus dem ganzen Gerede von wegen ›lehren‹ und ›vorbereiten‹ geworden? Jetzt wirfst du mich einfach so den Wölfen zum Fraß vor?«
»Dir ist offenbar nicht klar, wer hier der Jäger und wer die Beute ist«, erwiderte der Vampir so leise, dass nur ich ihn hören konnte. Am liebsten hätte ich irgendetwas nach ihm geworfen, aber die Gangmitglieder waren gerade das dringendere Problem. Bei der unverhüllten Lust in ihrem Blick wurde mir ganz anders, und wieder spürte ich, wie ein Knurren in mir aufstieg. »Das hier wird dir ganz genau zeigen, an welcher Stelle der Nahrungskette du stehst.«
»Kanin! Verdammt, was soll ich
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