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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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Ruinen und die Verseuchten, die dort lauerten, drehte sich mir der Magen um. Dort war ich gestorben. Aber ich unterdrückte die Angst. Entweder stellten wir uns den Verseuchten, die uns möglicherweise töten konnten, oder wir blieben hier und warteten auf die Männer des Prinzen, die es mit Sicherheit tun würden. Dann doch lieber eine Alternative, bei der ich noch kämpfen konnte.
    »Die Nacht ist fast vorbei, Kanin«, stellte ich fest, da ich spürte, wie uns die Zeit davonlief. Er nickte knapp.
    »Dann müssen wir das Tempo steigern.«
    Genau das taten wir dann auch und rannten wie die Verrückten durch die Tunnel, umgeben von Stimmen, die nicht nur von oben auf uns eindrangen.
    Sie erwarteten uns am Rand der alten Stadt.
    In den Ruinen wimmelte es von Soldaten und Wachen, es waren mehr, als ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ob nun als Beweis für Kanins Verrufenheit oder für Prinz Salazars Hass, jedenfalls hatten wir die Tunnel kaum verlassen, als bereits ein Schrei ertönte und Maschinengewehrfeuer über unsere Köpfe hinwegfegte. Die Kugeln prallten Funken sprühend an Betonboden und Mauern ab. Hastig ergriffen wir die Flucht, indem wir uns zwischen Gebäuden hindurchschoben und in überwucherte Gärten retteten, aber der Alarm war losgegangen, und sie wussten nun alle, dass wir hier waren. Schüsse und Schreie umringten uns von allen Seiten. Einmal tauchten drei knurrende Hunde auf, die Kanin erst niedermachen musste, bevor wir weiterlaufen konnten.
    »Hier entlang«, zischte er und hastete um die Ecke eines mit Ranken überwachsenen Ziegelbaus. »Es ist nicht mehr weit bis zur Stadtgrenze. Siehst du die Bäume dort?« Er zeigte über die Häuser hinweg auf ein dichtes Laubdach, das den Horizont verdeckte. »Wenn wir es bis in den Wald schaffen, können wir sie abhängen …«
    In einigen Fahrzeugen vor uns blitzten Maschinengewehre auf und viele kleine Explosionen zerfetzten Kanins Brust. Mit einem schmerzerfüllten Fauchen taumelte er rückwärts. Entsetzt schrie ich auf. Unsicher drehte Kanin sich um und hechtete durch das Fenster eines Hauses. Die Scheibe zersprang und er fiel außer Sichtweite. Geduckt stürmte ich hinterher.
    »Kanin!«
    Im Inneren des Gebäudes roch es nach Öl, Schmiere und Rost, und als ich mich abrollte und mich hektisch umsah, entdeckte ich mitten im Raum ein paar ausgeschlachtete Autos. Kanin lag nicht weit vom Fenster entfernt auf einem Bett aus Glasscherben, doch er zog sich bereits auf die Knie hoch, als ich mich neben ihn hockte. Er hatte das Gesicht zu einer angestrengten Grimasse verzerrt und an seinen Fängen klebte Blut. Seine Kleidung war ebenfalls damit verschmiert, alte und neue Flecken, und es floss aus den Löchern in Brust und Bauch, den Schusswunden, die er abgekriegt hatte. Angewidert und fasziniert zugleich sah ich zu, wie er seine Finger in die Löcher schob, die Zähne zusammenbiss und dann drei Kugeln herausholte, die klimpernd auf dem Boden landeten. Die klaffenden Wunden schlossen sich, nur das Blut auf Hemd, Brust und Händen blieb.
    Zitternd ließ sich Kanin gegen die Wand sinken. Stimmen wurden laut, Männer riefen laut brüllend nach Verstärkung. Der Himmel hinter dem Fenster war dunkelblau und ein feines, orangefarbenes Glühen am Horizont kündigte den nahenden Sonnenaufgang an.
    »Allison.« Kanins Stimme war unglaublich leise, bei dem Geschrei und den Schüssen konnte ich sie kaum hören. »Unsere gemeinsame Zeit ist nun beendet. Hier müssen sich unsere Wege trennen.«
    »Was? Bist du irre?« Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. »Vergiss es! Ich werde dich nicht verlassen.«
    »Ich habe dich so weit geführt, wie es mir möglich war.« Seine Augen waren glasig – wahrscheinlich verhungerte er fast, nachdem er diese Schusswunden geheilt hatte. Trotzdem versuchte er, ganz ruhig mit mir zu sprechen. »Du weißt jetzt fast alles, was du zum Überleben brauchst. Es bleibt nur noch eines, was ich dir sagen muss.« Eine Kugel prallte an einem der Autos ab, schlug einen Funken und verschwand in der Dunkelheit. Ich zuckte erschrocken zusammen, aber Kanin schien es gar nicht zu bemerken. »Eine letzte Möglichkeit, die jeder Vampir kennen sollte«, fuhr er flüsternd fort. »Wenn du im Freien festsitzt und keinen Unterschlupf hast, kannst du dich in der Erde eingraben, um der Sonne zu entgehen. Wir tun das instinktiv. Doch auch die Verseuchten schlafen tagsüber so, also sei vorsichtig, denn sie tauchen gerne direkt unter deinen Füßen

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