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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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dachte ich und versuchte, die Angst und die Unsicherheit zu unterdrücken, die mich zu ersticken drohten. Wohin sollte ich jetzt gehen? Was sollte ich tun? Zurück in die Stadt traute ich mich nicht – der Prinz würde mich aufgrund meiner Verbindung zum meistgesuchten Feind aller Vampire bestimmt töten lassen. Aber die Welt jenseits der Ruinen war eine große Unbekannte. Was gab es denn nun wirklich dort draußen? Vielleicht eine andere Vampirstadt. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht nur Wildnis, so weit das Auge reichte. Vielleicht existierte dort auch überhaupt nichts außer Verseuchte, die überall herumwuselten und jeden Menschen töteten, der ihnen über den Weg lief.
    Aber ich war kein Mensch mehr. Und sie machten mir auch nicht mehr solche Angst wie früher. Jetzt war ich ein Teil ihrer Welt, ein Teil der Dunkelheit.
    Trotzdem fürchtete ich mich. Der Gedanke, meine Heimat und die relative Sicherheit der Stadt aufzugeben, war mir zuwider. Ein winzig kleiner Teil von mir war allerdings auch aufgeregt. Vielleicht hatte mein gesamtes erbärmliches Leben auf diesen Punkt abgezielt. Ich befand mich außerhalb der Mauern, weit weg vom Einfluss der Vampire. Okay, ich war tot, aber das brachte eine ganz eigene Freiheit mit sich. Von meinem alten Leben war nichts geblieben. Es gab nichts, wohin ich zurückkehren konnte.
    Geh da raus, lebe und werde stärker.
    »Also gut, Kanin«, murmelte ich. »Dann werde ich mal sehen, was mich da draußen erwartet.«
    Noch einmal drehte ich mich um und spähte zwischen den Bäumen hindurch zu den Ruinen und zur Stadt hinüber, warf einen letzten Blick auf die Lichter meiner Heimat. Dann ließ ich New Covington hinter mir und brach auf in die Wildnis, mit nichts außer meinem Schwert und den Klamotten, die ich am Leibe trug. Und ich blieb erst stehen, als ich sicher sein konnte, dass ich bei einem Blick über die Schulter nur noch Bäume sehen würde.

DRITTER TEIL – Monster

10
    In jener ersten Nacht wanderte ich kopfschüttelnd durch das Unterholz, zwischen Bäumen und Büschen hindurch, verblüfft über diese Weite, die kein Ende zu nehmen schien. Es gab keine Straße, der ich folgen konnte, zumindest nicht an der Stelle, wo ich den Wald betreten hatte. Da ich mein ganzes Leben hinter den Stadtmauern verbracht hatte, wirkte diese grün-braune Welt auf mich abweisend und gefährlich, als würde sie versuchen, mich in die Knie zu zwingen und zu verschlingen. Ab und zu stieß ich auf Überreste menschlicher Zivilisation: alte Häuser, die unter dicken Flechten- und Moosteppichen dahinfaulten, oder ein paar Autowracks, die mit Schlingpflanzen überwuchert waren. Doch je weiter ich mich von der Stadt entfernte, desto urwüchsiger wurde der Wald. Nie hätte ich gedacht, dass er dermaßen groß wäre, dass sich die Bäume so endlos hinziehen könnten. Angesichts dessen drängte sich die Frage auf, wie viele Jahre New Covington wohl noch blieben, bis die Natur die Mauern überwand und die Stadt vollends zurückeroberte.
    Und im Gegensatz zur leeren Stadt mit ihren verwaisten Straßen und den kalten, toten Gebäuden war die Wildnis voller Leben. Hier draußen rührte sich ständig irgendetwas: Zweige ächzten im Wind, Insekten summten durch die Luft, irgendwo in den Büschen raschelte etwas. Anfangs zerrte das an meinen Nerven – immerhin war ich auf der Straße aufgewachsen, wo dich jedes Geräusch und jede Bewegung zusammenfahren und die Flucht ergreifen lässt. Doch nachdem ich einige Nächte lang zugehört hatte, wie die unsichtbaren Wesen vor mir flohen, kam ich zu dem Schluss, dass es jenseits der Stadt eigentlich nichts gab, was für mich eine echte Gefahr darstellte. Ich war ein Vampir – und damit das Schrecklichste, was es hier draußen gab.
    Natürlich lag ich damit völlig falsch.
    Eines Abends stieß ich kurz nach Sonnenuntergang auf einen träge dahinströmenden Fluss und folgte ihm eine Weile, da es ja sein konnte, dass er mich irgendwohin führte. Am Ufer entdeckte ich hin und wieder Rehe und sogar einen Waschbären, woraus ich schloss, dass wohl auch andere Tiere vom Wasser angezogen wurden. Doch inzwischen war ich so an den Anblick der hiesigen Tierwelt gewöhnt, dass ich nicht weiter darüber nachdachte.
    Plötzlich stieg aus den Schatten vor mir ein leises Knurren auf. Ich erstarrte.
    Etwas Großes, Dunkles tappte zwischen den Bäumen hervor und blieb knapp einen Meter von mir entfernt am Flussufer stehen. Es war das größte Tier, das ich jemals gesehen

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