Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)

und ließ die Leute wissen, dass sie nicht länger benötigt wurden. Der Polizeifotograf packte schlecht gelaunt seine Kameratasche ein. Der Brummie wollte widersprechen, doch Gwen schnitt ihm etwas schnippischer als normalerweise das Wort ab.
    In einiger Entfernung öffnete Jack die Beifahrertür des Vectras und griff nach etwas auf dem Sitz. Gwen konnte die dicke Wollsocke an seinem schuhlosen Fuß sehen, die von seinem Weg durch die Pfützen völlig durchweicht war. Er würde wie immer noch lange weiterarbeiten, nachdem das Team schon längst nach Hause gegangen war.
    Sie wählte die Telefonnummer ihrer Wohnung. Sagte Rhys, dass es ihr leidtäte, zu spät zu kommen. Schon wieder.
    Sollte sie sich schämen, erleichtert sein oder gar dankbar, weil er so ruhig reagierte? Schon wieder. Blieb er einfach ruhig oder war es ihm eigentlich egal? Oder sah er sich vielleicht Matrix Reloaded auf DVD an? Schon wieder.
    Rhys sagte, dass er ihr etwas zum Tee übrig gelassen hatte, und er versprach, es nicht zu essen, wenn sie ,noch etwas länger für das Parken bräuchte‘. ,Noch etwas länger für das Parken brauchen‘ war die Entschuldigung der Fahrer im Büro, wenn sie zu spät kamen.
    Sie dankte ihm. Und ja, er konnte den letzten Erdbeerjoghurt essen, wenn er sich dem Verfallsdatum näherte. Sie hatte heute Abend keinen Appetit darauf.
    Sie horchte wieder auf Anzeichen in seiner Stimme, um vorauszuahnen, in welcher Stimmung er sein würde, wenn sie zurück in die Wohnung käme. Müde? Verstimmt? Sie ließ seine Worte für eine Weile auf sich einplätschern, bis sie plötzlich bemerkte, dass er verstummt war. Hatte er sie etwas gefragt und wartete nun auf eine Antwort? Sie hatte ihre Gedanken schweifen lassen und ihm nicht richtig zugehört.
    Sie entschuldigte sich damit, dass sie müde war, und versprach, sich richtig mit ihm zu unterhalten, wenn sie zu Hause war. Aber als sie auflegte, wusste sie, dass sie sich das Gleiche bereits in den vergangenen zwei Monaten gesagt hatte. So waren ihre Abende geworden. Tratsch, gewöhnlich von ihm über Bürointrigen oder Banana Boats Geschichten eines Straßenkriegers oder die neueste Gefühlskrise von Sonja, der Sekretärin. Oft nur Fernsehen. Etwas von einem Tablett essen, das meistens Rhys schnell zusammengekocht hatte. Vielleicht ein eher routinemäßiger Liebesakt, wenn sie vor dem Schlafengehen noch nicht zu müde waren. Sie wollte jetzt nach Hause gehen. Sie warf Jack einen letzten Blick zu und wandte sich zur Hauptstraße hin. Der ständige Nieselregen, der sie den ganzen Tag verfolgt hatte, war jetzt zu einem stetigen Strom geworden, der in die Pfützen um sie herum platschte.
    War das jetzt ihr Leben? Ist das hier das, was du erwartet hast, fragte sie sich. Kannst du das weiter vor Rhys verbergen, obwohl du vorher nie Geheimnisse vor ihm hattest? Oder ist das hier etwas Neues? Ein neues Leben, das du nie erwartet hast, von dem du niemals wusstest, dass es so etwas gibt. Hast du irgendeine Ahnung, wie du hierhergekommen bist?

SIEBEN

    Du hast keine Ahnung, wie es gekommen ist, dass du im Hinterzimmer eines Friseursalons herumhängst, der Die verrückte Franse heißt. Aber genau dort findest du dich wieder und siehst zu, wie der Tag zur Erinnerung verblasst, während ein geschmeidiger Teenager namens Penny Pasteur dir eine Piña Colada in ein geeistes Martiniglas einschenkt.
    Im Ladenfenster rotieren und flackern zwei neonfarbene Lockenstäbe. Auf der Straße eilt eine Menschenmenge nach Hause. Selbst vom Hinterzimmer aus kann man hören, wie ihre Schwertscheiden gegen die Beinpanzerung klackern, während sie zu ihren Ställen taumeln, um ihre Hengste zu satteln und davonzugaloppieren. Penny küsst dich, ihre Zunge zuckt kurz über deine Lippen und Zähne, bevor sie in die Küchenecke geht, um den leeren Cocktailshaker auszuwaschen. Um dorthinzugelangen muss sie über die Leiche eines merkwürdigen Kunden steigen. Es handelt sich um einen nordischen Halbgott namens Kvasir, dessen Genick du vorher, nach dem Streit, wie einen dünnen Zweig gebrochen hast. Er hätte niemals Witze über deine Zwergen-Assistenten machen sollen. Und dir in die Augen zu spucken, brachte das Fass schließlich zum Überlaufen.
    Du bist nicht die Art Typ, die einer Gefahr mit Angst begegnet. Als Stärkster und Intelligentester deines Geschlechts überragst du all deine Familienmitglieder mit deinen gut zwei Metern Körpergröße und einem Gewicht von ungefähr hundert Kilo. Deine Geschmeidigkeit