Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)
griff nach dem Stahlgeländer am tiefen Ende. Sie hielt es fest umklammert, während der Raum um sie herum wieder Konturen gewann. Exakt in der Mitte des Beckens paddelte ein Mann im grünblauen Wasser, der vom endlosen Strom der Schwimmer vollkommen ignoriert wurde. Haltlos und japsend ging er zum dritten Mal unter.
Es war Jack. Gwen erkannte die schwarze Badehose. (Wie konnte sie die schwarze Badehose erkennen? Sie wusste es nicht. Es tat nichts zur Sache.)
Jack kam wieder an die Oberfläche. Er schnappte ein weiteres Mal laut nach Luft. Sein nasses Haar klebte an seinem Kopf. Er suchte Augenkontakt zu ihr, über die Kinder auf den Schwimmtieren und ihre aufmerksamen Väter hinweg, über die lauten, halbwüchsigen Jungen, die ihre Freundinnen untertauchten oder Handstände machten. Sie sahen gar nicht, dass sich seine Lippen vor Überraschung und Angst zu einem großen ,O‘ formten, bevor sein Mund, seine Nase und seine vor Schreck geweiteten blauen Augen wieder im aufgewühlten Wasser verschwanden.
„Jemand muss ihm helfen!“, schrie Gwen. Sie blickte sich erschrocken um. Von der anderen Seite des Beckens schlenderte langsam ein Rettungsschwimmer auf sie zu. Der Typ war ungefähr zwanzig und sah mit seinen kurz gestutzten braunen Haaren und stechend grünen Augen absurd gut aus. Er pellte sich langsam aus dem gelben T-Shirt und enthüllte eine glatte, muskulöse Brust und eine Haarlinie, die von seinem Nabel nach unten lief und in seinen weiten roten Badeshorts verschwand. „Lassen Sie ihn“, rief er ihr mit seiner warmen, tiefen Stimme in beruhigendem Ton zu. „Der gehört mir.“
Der Rettungsschwimmer glitt ins Wasser, und die Kinder, Eltern und Teenager teilten sich vor ihm. Er zog sich mit langsamen, kraftvollen Zügen auf den japsenden Jack zu. Gwen fühlte, wie sich Frustration in ihr aufbaute und sich die Muskeln in ihren Oberarmen und den Schultern verspannten. „Schneller, schneller, schneller“, wiederholte sie wie ein Mantra.
Gerade als der Typ kurz davor war, Jack zu erreichen, stieß er mit einem langbeinigen Mädchen zusammen. Ihr blondes Haar wand sich wie Schlangen im Wasser. Ihr enger roter Badeanzug hatte die gleiche Farbe, wie die Shorts des Jungen. Da wusste Gwen plötzlich, dass sie eine Rettungsschwimmerin sein musste.
„Lass ihn“, sagte das Mädchen in rot. Ihr Tonfall war bedacht, und ihre Stimme klang belegt, war aber trotz der Schwimmbadgeräusche deutlich zu hören. Sie hob eine Hand und drückte den Kopf des anderen Rettungsschwimmers unter Wasser. „Lass ihn. Das ist meiner.“
Der Rettungsschwimmer schüttelte sie ab und brachte seinen Kopf wieder an die Oberfläche. Er prustete Luft durch die geschürzten Lippen und schüttelte sich das Wasser mit schnellen Kopfbewegungen aus den Haaren. Er drückte sich gegen die Frau und bahnte sich seinen Weg mit Gewalt, sodass sie langsam nach hinten glitt, während sich der Badeanzug über ihren Brüsten spannte.
Die beiden Retter rangen weiter miteinander. Es war ein verspielter Austausch von Schubsern und Knüffen, der mehr nach einem Ballett als nach einem Kampf aussah. Neben ihnen trieb Jack mit weit aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund direkt unter der Oberfläche.
Gwen hustete. Sie bekam keine Luft. Es war, als wäre sie unter Wasser. Sie wollte sich in den Pool werfen, hinüber in die Mitte schwimmen und Jack an die Oberfläche ziehen. Aber ihre Beine fühlten sich an wie Blei. Sie konnte nicht einmal ihre Füße über die rissigen blauen Kacheln bewegen. Ihre Hände verkrampften sich, ihre Finger schlossen sich fest um das Geländer.
Der Mann mit dem schmalen Gesicht sah vom Balkon herunter. Er war aufgestanden, um zu sehen, was es mit dem Aufruhr im Becken auf sich hatte. Nein, wurde Gwen klar, seine Augen waren auf sie gerichtet. „Owen Harper“, sagte sie.
„Es heißt Doktor Owen Harper“, rief ihr der Mann mit dem schmalen Gesicht zu. „Eigentlich.“
Gwen verfluchte ihre angewurzelten Beine und versuchte, über die Barriere ins Wasser zu springen. Ihre Arme waren schwach. Die Massen setzten ihren Weg an dem Ertrinkenden vorbei sorglos fort. Gwen schrie die Rettungsschwimmer wütend an.
Sie hielten inne, um sie zu mustern.
„Rettet ihn!“ Ihr schriller Schrei hallte durch das ganze Schwimmbad.
Sie wachte abrupt auf und tauchte mit einem Schrei voller Qual und Angst aus ihren Kissen auf.
„Was zur Hölle?“ Rhys fummelte auf dem Nachttisch herum, bevor es ihm gelang, den Lichtschalter zu
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