Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)
jetzt aufs Klo.“
Rhys stand auf, um sie aus dem Bett zu lassen. „Ich räum dann mal hier auf, während du pinkeln bist.“
Gwen ging auf Zehenspitzen über das kalte Linoleum im Bad und überließ es ihm, die verstreuten Papiere aufzusammeln. Seit sie bei Torchwood war, hatte sie viele unruhige Nächte erlebt, weil sie mit Gedanken und Ahnungen aufwachte. Dann konnte sie nicht mehr einschlafen, weil sie sich verrückt machte, dass sie am nächsten Morgen alles wieder vergessen haben könnte. Sie hatte angefangen, Dinge auf Kassenbons und Briefumschläge zu kritzeln, und dann sich irgendwann ein kleines Notizbuch dafür zugelegt. Sie vertraute Rhys, nicht in ihrem Zeug herumzuschnüffeln, vertraute aber sich selbst nicht, wenn es darum ging, das Buch nicht zu verlieren. Aus Angst, dass es jemand anders in die Hände fallen könnte, war alles darin in Abkürzungen und Codes geschrieben. Deswegen war es unvermeidbar, dass ihre nächtlichen Aufzeichnungen entweder nicht zu entziffern waren oder, wenn man sie bei Tageslicht betrachtete, einfach müdes Gestammel und Unsinn enthielten.
„Hast du eine neue Handynummer?“, rief Rhys.
Sie kam zurück ins Zimmer und hielt immer noch ihre Zahnbürste in der Hand. Sie wischte eine nasse Hand an ihrem Nachthemd ab und nahm das Post-it aus seiner Hand.
„Ziemlich eilig gekritzelt“, beobachtete er. „Und nicht deine Handschrift. Da steht ,Gwen‘ und eine Nummer … ist das eine Null oder eine Sechs?“
Gwen wusste, dass das gekritzelte Wort ,Owen‘ heißen sollte. Er hatte ihr seine Handynummer aufgezwungen, während sie halbherzig von ihm angemacht worden war. Sie hatte ihm gesagt, er solle sich verpissen. Es war ohnehin nur ein Witz gewesen, eine Geste, denn alle Torchwood-Telefone hatten die Nummern aller Mitglieder als Kurzwahl einprogrammiert. Trotzdem, als sie an diesem Abend ihre Taschen geleert und ihre Jacke in den Schrank gehängt hatte, war sie auf Owens Post-it gestoßen, das immer noch darin war.
„Nachricht aus dem Büro“, sagte sie zu Rhys. Gwen nahm es mit ins Bad und klebte es an den Spiegel, als sie zur Toilette ging. Während sie dasaß, musste sie an den Traum denken. Jack ertrank in einem Schwimmbecken, und Owen sah vom Balkon aus zu.
Sie ging wieder zurück ins Bett und beugte sich dicht über Rhys, um einen richtigen Kuss zu bekommen. Er hatte sich gemütlich auf seiner Seite ausgestreckt, sein Mund stand weit offen und sein Atem ging regelmäßig.
Gwen hörte zu, wie Rhys atmete. Sie ging zurück und nahm das Post-it vom Badezimmerspiegel. Sie klebte es in ihr Notizbuch und legte dieses auf den Nachttisch. Dann kroch sie wieder zurück ins Bett zu Rhys und schaltete das Licht aus. Während sie im Dunkeln lag, lauschte sie dem endlosen Regen.
ZEHN
Russisches Roulette war mit echten Menschen definitiv interessanter, fand Owen. Und es von der Torchwood-Basis aus zu spielen, brachte ihm noch einen zusätzlichen Adrenalinkick ein. Die Gefahr, von Jack, Gwen oder Toshiko erwischt zu werden, war genauso aufregend, wie die Gewissheit, dass er riskierte, sein Gehirn über seinen Schreibtisch zu verteilen. Obwohl das im Anschluss schwerer zu erklären als wieder in Ordnung zu bringen wäre.
Er sog die Luft im Zimmer ein und erwartete, dass sich seine Nase mit den Geruch von Kordit und frisch vergossenem Blut füllte. Neben ihm lag gegen den Fuß des Asteroids-Automaten gelehnt das neueste Opfer und starrte ausdruckslos an die Decke der Basis. Es war Kvasir der Wikinger. Auf die eine oder andere Art endete Second Reality für den dummen skandinavischen Klotz immer tödlich, ob nun durch eine fremde oder seine eigene Hand.
Owen trat nach dem fellbekleideten Bein des Toten. „Steh auf, Kvasir“, befahl er ihm. „Du bist nicht so schlau, wie man mir weismachen wollte. Versuch es noch mal mit dem nächsten Leben. Ich wette, du kannst nicht vier Mal hintereinander verlieren.“
Die Leiche blinzelte zweimal, drehte sich um und kam wieder an den Tisch zurück.
Nach ein paar weiteren Spielen wurde der Faktor des Neuen durch die Verbindung der Spielelemente von Second Reality mit den physischen Komponenten der Basis langsam wieder schal. In der ersten Stunde hatte Owen sich damit amüsiert, die 3-D-Projektoren im Spielbereich der Basis laufen zu lassen. Schnell fand er es aber schwierig, durch die dort befindlichen festen Gegenstände des echten Lebens zu navigieren. Das war viel langweiliger, als die grenzenlosen, unbewohnten Welten zu
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