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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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nicht, was hier gespielt wird? Velasco zerbricht mein Schwert, meinen einzigen Besitz. Und Beliar spielt uns einen Hinweis in die Hände, wie man die Klinge wieder zusammensetzen kann. Sie hetzen uns weiter, ohne uns auch nur eine Sekunde Zeit zum Luftholen zu lassen.«
    Uns. Ravenna überhörte es nicht. Das Blut rauschte in ihren Ohren.
    »Heißt das jetzt, du gibst uns noch eine Chance?«, fragte sie. »Jeder verdient eine zweite Chance, Lucian. Wir beide doch auch, oder etwa nicht?«
    Statt einer Antwort beugte er sich vor, legte die unverletzte Hand an ihre Wange und küsste sie. Seine Lippen waren so nass und klamm wie das Sattelleder. Unter der kalten Haut spürte sie jedoch, wie das Fieber in ihm brannte.
    »Ravenna«, raunte er. »Mir geht es nicht um uns. Es geht um meinen Vater. Wenn ich Velasco herausfordere, will ich auf keinen Fall riskieren, dass du zwischen uns gerätst. So wie die junge Hexe Maeve damals. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt. Velasco weiß das. Ich wette, dass er alle seine Pläne darauf aufbaut.«
    Plötzlich schien der Wind eisig. Ravenna krallte die Finger in den weichen Pelz unter ihrem Kinn und versuchte ein möglichst furchtloses Gesicht zu machen.
    »Velasco jagt mir keine Angst ein«, behauptete sie.
    »Sollte er aber«, sagte Lucian.
    Sie schüttelte den Kopf. »Viel wichtiger ist die Frage, ob du weißt, wo dieser Schmied wohnt. Können wir nicht einfach hinreiten und ihn bitten, die Klinge zu reparieren? Dann hättest du wenigstens wieder ein Schwert. Und wir könnten die Nacht im Trocknen verbringen.«
    »Ich fürchte, es ist komplizierter«, erwiderte Lucian. »Aber – ja. Ich weiß, wo wir den Schmied finden. Allerdings müssen wir dann tatsächlich diese Straße dort unten nehmen. Und ich werde deine Hilfe brauchen.«
    Ravennas Puls beschleunigte sich. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass noch Aussicht aufVersöhnung bestand. Sie kannte Lucians Stolz und Ehrgefühl – und seinen Starrsinn, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Nun redete er plötzlich ganz vernünftig mit ihr.
    »Ich helfe dir gern«, erwiderte sie erleichtert. »Und danach setzen wir uns hin und reden wie erwachsene Leute. Das verspreche ich. Allerdings gibt es da noch ein Problem.«
    Lucian hatte den großen Hengst bereits herumgezogen. Jetzt schaute er zu ihr zurück und runzelte die Stirn. »Und das wäre?«
    Ravenna trieb Willow neben ihn. »Thierry hat gesagt, auf der Karte stünde die Aufgabe des heutigen Tages. Wenn das wahr ist, gibt es vielleicht ein Zeitlimit. Genau wie bei dem Tor in den Katakomben. Erinnerst du dich? Wenn das wahr ist, bleibt uns nicht mehr lange, um die Aufgabe zu lösen.«
    »Wenn das so ist«, sagte Lucian und ließ den Hengst antraben, »sollten wir keine Zeit verlieren.«
    Sie näherten sich der Straße in vollem Galopp. Die Hunde hörten sie als Erste, sie rannten ihnen kläffend entgegen. Beim Klang der donnernden Hufschläge bäumten sich die Zugpferde auf. Sie zerrten an den Leinen und drohten die Wagen umzuwerfen. Ochsen brüllten und scherten aus der Reihe aus. Die Lenker der Gespanne fluchten und ließen Peitschenhiebe auf ihre Tiere niedersausen.
    Eine Frau in einem glockenförmigen Umhang zeigte auf sie. »Da ist sie! Die Weiße Hexe!«, schrie sie mit überschnappender Stimme. »Sie reitet in dieselbe Richtung wie wir!«
    Ravenna duckte sich in Willows flatternde Mähne. Ihr Herz pochte wild. Lucian ritt dicht vor ihr. Die Hufe des Schimmelhengstes wirbelten Grasklumpen empor und bespritzten sie mit Schlamm. Regen prasselte auf ihren Rücken. Vor ihr drängten sich Fußgänger und Fahrzeuge, doch sie wollte auf keinen Fall langsamer werden.
    »Aus dem Weg!«, schrie sie. Dasselbe brüllte auch Lucian den Leuten zu. »Platz da! Lasst uns durch!«
    Die Menschen auf der Straße fingen an zu schreien. Sie rannten in ihre Richtung, schubsten und drängten sich gegenseitig vom Weg. Jeder wollte als Erster an der Stelle sein, an der ihre Pferde über den Graben setzen mussten.
    »Ravenna! Ravenna!«, brüllten ihr die Menschen zu. Ein Meer von Händen streckte sich nach ihr aus. Wie Seegras wogten die Arme in die Richtung, in die sie die Stute trieb. Die Menschen wichen erst zurück, als Willow mit einem Satz auf die Straße sprang – und stürmten ihr im nächsten Augenblick wieder entgegen.
    »Aus dem Weg!«, schrie sie. Sie hatte schreckliche Angst, denn sie wusste nicht, ob die Leute sie aus dem Sattel zerren wollten, ein

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