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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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darauf bestanden. Wer einen Fluch wirkte, musste auch wissen, wie man ihn umkehrte, behauptete sie.
    Als der Wind auffrischte, wurde aus dem Frösteln ein ausgesprochenes Zittern.
    »Ellis.« Ravenna sah sich nach der jungen Hexe um. »Ich fürchte, ich habe meinen Mantel irgendwo liegen lassen. Wärst du so gut und läufst noch einmal zum Turm?«
    Die junge Hexe seufzte und rollte mit den Augen. Dann setzte sie sich in Bewegung.
    Die Ritter versammelten sich unterhalb des Turms. Ravenna ging auf die Männer zu. Als Lucian ihre Schritte hörte, drehte er sich um. Sie konnte sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Das Licht der Morgendämmerung zeichnete seine Schulter nach, die Umrisse eines Arms. Die Schwertscheide glänzte dunkel unter dem Mantel.
    »Alles okay mit dir?«, fragte sie. Sie wusste, dass die Ritter am Totenbett des Königs Wache gehalten hatten. Statt einer Antwort legte er ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich.
    »Lucian!« Er drückte so fest zu, dass ihr die Luft wegblieb. Dabei war er in Gegenwart seiner Freunde sonst eher zurückhaltend.
    »Lucian! Au – autsch!«, keuchte sie erschrocken. »Du tust mir weh!«
    »Tut mir leid«, flüsterte er ihr ins Ohr und presste sie noch enger gegen seine Brust. »Es tut mir wirklich leid. Aber versprich mir, dass du dich jetzt nicht aufregst.«
    Sie kämpfte, um von ihm loszukommen. Er ließ es nicht zu. »Was ist passiert? Was ist los?«
    »Yvonne ist hier«, raunte er ihr zu. »Deine Schwester kam gestern Abend zu uns in den Turm. Wir hatten … sie und ich, wir hatten eine Auseinandersetzung.«
    Sie strampelte, um sich zu befreien. Ihr Ritter ließ es nicht zu. »Yvonne ist hier? Wie geht es ihr? Habt ihr euch ausgesprochen? Weißt du jetzt wieder, was damals passiert ist?«
    »Ja. Ich weiß es jetzt«, erwiderte Lucian. Noch immer gab die Dämmerung seine Züge nicht preis. »Ich weiß bloß nicht, ob es mir gefällt.«
    Er sagte ihr nicht alles. Das spürte sie deutlich. »Was ist los? Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
    Die Kettenglieder unter ihren Fingern fühlten sich wie flüssiges Silber an. Die Rüstung schaffte eine merkwürdige Distanz zwischen ihnen. »Es hat Schwierigkeiten gegeben. Keine … Ravenna, keine Angst – es geht ihr gut. Es geht Yvonne den Umständen entsprechend gut. Aber wir dürfen nicht mehr lange warten.«
    »Warten? Worauf?«
    »Deine Schwester muss so schnell wie möglich in ein Krankenhaus. Das Kind ist in Gefahr. Und sie möglicherweise auch.«
    Mit einem heftigen Ruck befreite sie sich aus seiner Umarmung. »In ein Krankenhaus? Hast du eine Vorstellung davon, wo wir gerade sind? Auf irgendeinem Gipfel mitten im Gebirge! Neben einem hochgefährlichen Tor! Im dreizehnten Jahrhundert! Wie soll ich meine Schwester denn da in eine Klinik bringen?«
    Ravennas Stimme schallte über die Anhöhe. Die anderen Ritter und Hexen drehten sich um. Ellis war zurückgekommen und trug den weißen Mantel über dem Arm. Norani musterte Ravenna. Dann nickte sie. Die Sieben traten einen Schritt zur Seite.
    Yvonne stützte sich schwer auf einen Knappen. Ihr Gesicht glänzte unnatürlich rot. Sie vermied es, Ravenna oder sonst jemanden anzublicken. Um ihren Hals hing eines von Noranis magischen Amuletten.
    »Sie ist besessen«, erklärte die Wüstenhexe. »Sie glaubt noch immer, sie sei die Fürstin des Feuers. Andererseits regen sich langsam alte Erinnerungen in ihr. Manchmal weiß sie wieder, dass sie deine Schwester ist. Eine Wicca. Dann fragt sie nach dir.«
    Ravenna schlug die Hände vor den Mund.
    »Lucian hat uns erzählt, dass es in deiner Zeit wundersame Ärzte gibt«, ergänzte Nevere. »Ärzte, die den Körper eines lebenden Menschen öffnen und zwar so, dass er nichts spürt und anschließend weiterlebt. Das können wir hier nicht.«
    »Klingt fast nach schwarzem Zauber«, knurrte Norani. Das Misstrauen der Wüstenhexe schien erneut aufzuflackern. »Nach Nekromantie. Man hält den Tod an der kurzen Leine. Nevere hat recht: Das können wir nicht. Und selbst wenn wir es könnten …« Sie verstummte.
    »Mein … Gott! «, stöhnte Ravenna. »Braucht Yvonne etwa einen Kaiserschnitt?«
    »Sie hat das Kind übertragen«, erklärte Nevere. Die Heilerin sah abgekämpft aus. Erste Sonnenstrahlen verfingen sich in ihren Haaren und ließen die wirr abstehenden Strähnen aufleuchten. »Deine Schwester war sehr leichtsinnig. Sie glaubte, bestimmen zu können, wann das Baby auf die Welt kommt. Um Beliar bis auf

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