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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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nochmal und ein drittes Mal. Jemand versuchte, mit Gewalt in das Zimmer einzudringen.
    Mit einem Aufschrei krabbelte Ravenna über das Bett. Es war der schnellste Weg, um an den Schrank und das darin verborgene Schwert zu gelangen. Ehe sie die andere Seite jedoch erreichte, flog die Tür auf, und Lucian stolperte ins Zimmer. »Da bist du ja!«, stieß er hervor. »Was für ein Glück.«
    Auf allen vieren kauerte Ravenna auf dem Bett, die Hand nach dem Knauf der Schranktür ausgestreckt. Als ihr bewusst wurde, wie lächerlich das aussah, zischte sie: »Tür zu! Na los doch!«
    Lucian warf die Tür hinter sich ins Schloss, aber weil er sie mit Gewalt aufgebrochen hatte, schnappte der Riegel nicht mehr ein.
    »Wir müssen von hier verschwinden. Sofort!«, keuchte er. »Der Empfangschef ist fort und von seinem angeblichen Wachdienst fehlt jede Spur. Stattdessen haben sich Vadyms Kumpanen unten in der Lobby versammelt. Sie lassen niemanden aus dem Hotel. Und hinein auch nicht, es sei denn, man nimmt den Hintereingang.«
    Plötzlich war ihr klar, was das Herumschleichen auf dem Balkon und im Flur bedeutete. Von wegen Poltergeist! Die russischen Magier waren in das Hotel eingedrungen und suchten nach ihr.
    Sie rutschte vom Bett und richtete sich auf. »Lucian, es tut mir leid. Ich wollte vorhin nicht …«
    Ihr Ritter schnitt ihr das Wort ab. »Dafür ist jetzt keine Zeit. Los, hol deine Sachen!«
    Während er sprach, befreite er sich von den durchweichten, völlig verdreckten Socken und begann die dunkle Hose auszuziehen. Seine Haare waren nass, die Lippen bebten vor Kälte, aber er verlor keine Zeit damit, sich zu beschweren. Rasch zog er sich wetterfeste Kleidung an, nahm das Schwert aus dem Schrank und legte das Gurtzeug an.
    Ravenna trat zu dem alchemistischen Koffer, holte die Kreide hervor und schrieb drei Ziffern in das letzte freie Feld in der Mitte des magischen Schaltkreises: 666 .
    Lucian trat neben sie. »Was ist das?«, fragte er. »Was ist so wichtig, dass du ausgerechnet jetzt …«
    Im nächsten Augenblick weiteten sich seine Augen. »Du hast das Rätsel gelöst!«, rief er aus. »Du hast herausgefunden, wie man den alchemistischen Koffer öffnet!«
    Er hatte recht. Im selben Augenblick begann aus den Kreidelinien Licht zu scheinen. Milchige Strahlen kreuzten sich an der Decke. Das Zimmer wirkte plötzlich sehr düster. Die blutigen Tränen am Rand des Koffers quollen stärker hervor.
    »666«, sagte Ravenna zufrieden. »Das Große Tier. Damit ist der britische Hexer und Bergsteiger Aleister Crowley gemeint. Er wurde am 12. Oktober geboren, fand 1899 einen ziemlich heruntergekommenen, nichtsnutzigen Lehrmeister in Sachen Magie und machte um 1900 in einem Geheimbund Karriere. Verstehst du? 12, X, 99 und 00 – plötzlich ergibt alles Sinn.«
    »Und Equinox ?«, fragte Lucian. Interessiert betrachtete er den Koffer.
    »Das Wort Equinox kommt in ein paar seiner Schriften vor. Der Stern« – Ravenna tippte auf das Hexagramm – »ist ein Zeichen für die Lehren, die er damals vertrat.« Das meiste davon hatte sie im Internet gelesen. Oder war es ein altes Lexikon im Arbeitszimmer ihres Vaters gewesen? Sie erinnerte sich nicht.
    »Er lebt nicht mehr?«, wollte Lucian wissen.
    »Das will ich hoffen«, erwiderte Ravenna. »Aber bei echten Schwarzkünstlern weiß man das nie so genau. Viele von ihnen beherrschen Nekromantie, die Kunst der Totenbeschwörung – du hast Vadym ja gehört. Später stieg Crowley auf diesen Berg, den K2, und fuchtelte in 6600 Metern Höhe mit einer Waffe herum. OTO schließlich ist eine Abkürzung für den magischen Orden, dessen Anführer er damals war. Du weißt schon. Der Oberguru.«
    »Anführer eines schwarzmagischen Ordens?« Lucian rümpfte die Nase. »Das ist nicht gut. Es ist ganz und gar nicht gut, wenn Hexer sich zusammenrotten.«
    »Zumindest hat uns dieses Wissen geholfen, die Aufgabe zu lösen«, murmelte Ravenna. Als sie den Koffer anfasste, fühlte er sich warm an. Wie ein kleines, atmendes Tier. Wachsam legte Lucian die Hand auf den Schwertgriff.
    Der Koffer ließ sich mühelos aufklappen. Das Innere war mit rotem Samt ausgeschlagen. Auf dem Samt lag ein langer, dünner Gegenstand. Ein Knochen.
    »Eine Wünschelrute!«, rief Lucian enttäuscht. »Beliar überlässt uns eine Wünschelrute statt einen Haufen Geld! Was für ein elender Tausch!«
    Ravenna nahm die Wünschelrute und drehte sie nach allen Seiten. Sie war wie ein gegabelter Ast geformt. Vorsichtig umfasste sie

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