Tore der Zeit: Roman (German Edition)

zeigen.«
    »Ein Porträt? Dass ich nicht lache!«, fauchte Ravenna. »Er lässt uns rund um die Uhr beobachten. Das geht zu weit. Das geht eindeutig zu weit.« Dann warf sie die Autotür ins Schloss.
    Während sie hinter den Stativen entlanglief, fiel ihr wieder ein, was Lucian gesagt hatte: Sie würden am Pranger stehen. Das traf genau den Kern der Sache. Beliar veranstaltete einen Spießrutenlauf, den sich das Publikum zur besten Sendezeit anschaute, ohne zu begreifen, was für ein Schauspiel es eigentlich sah.
    Nach ein paar Schritten gelangte sie zu einem Absperrgitter. Dahinter standen die Zaungäste. Für die späte Stunde waren ziemlich viele Zuschauer gekommen. Offenbar hatte ihr Auftritt bei Vanessa den Bekanntheitsgrad von Beliars Show weiter in die Höhe getrieben. Der Teufel konnte zufrieden sein.
    Einige der Anwesenden hielten Mobiltelefone hoch und filmten die Ereignisse vor den Katakomben. Andere verfolgten gebannt die Interviews auf dem Platz. Gerade sprach Beliar mit Lucian. Wahrscheinlich nötigte er ihm einen Kommentar zu der Blamage während der Talkshow ab.
    Ravenna ließ den Blick über die Menge gleiten. Ganz vorne entdeckte sie schließlich einen Rotschopf. Na bitte. Wenigstens war sie noch in der Lage, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
    »Hallo, Lilith«, sagte sie, als sie zu der jungen Hexe trat.
    Die Rothaarige wandte den Blick nur widerwillig von Beliar und seinem Interviewpartner ab. Die Gesprächspartner waren hell angestrahlt, während im Hintergrund das Eingangsgebäude der Katakomben aufragte, umrahmt von dunklen Bäumen. Die Mondsichel stand genau über dem Giebel. Lucian hatte die Hände in den Taschen vergraben und drehte sich so zu den Kameras, dass sein Bein die unter dem Mantel hervorragende Schwertspitze verdeckte. Vadym steuerte unterdessen bereits auf das Kassenhäuschen zu. Er entrichtete das Eintrittsgeld. Dann winkte er triumphierend mit dem Billet.
    »Ziemlich schlimm, was da in eurem Hotel los ist«, murmelte die rothaarige Hexe. »Geht’s euch gut?«
    »Alles okay. Uns ist nichts passiert«, murmelte Ravenna. Lilith war die Erste, die sich nach ihrem Befinden erkundigte. Vielleicht hatte sie die rothaarige Rockerin doch falsch eingeschätzt.
    »Was hältst du davon, mein Publikumsjoker zu sein?«, fragte Ravenna.
    Lilith starrte sie aus weit geöffneten Augen an. »Ist das dein Ernst? Tut mir leid, aber beim WizzQuizz mache ich bestimmt nichts Freiwilliges mehr. Keine Glaskästen. Keine Projektoren. Und ganz bestimmt steige ich nicht in die Gruft unter den Straßen von Paris.«
    »Keine Sorge, das übernehme ich«, beruhigte Ravenna sie. »Du sollst mir bloß zwanzig Euro leihen. Nur für heute Abend. Sobald wir das Quiz gewonnen haben, kriegst du das Geld wieder.«
    »Oh! Na, das dürfte kein Problem sein.«
    Ravenna wartete geduldig, während sich die junge Hexe durch sämtliche Kleiderschichten wühlte. Die anderen Zaungäste starrten sie an und schienen nicht genau zu wissen, was sie von diesem Wortwechsel halten sollten.
    »Woher wusstest du eigentlich, dass die Show ausgerechnet in den Katakomben weitergeht?«, wollte Ravenna wissen. »Ich meine, wieso bist du ausgerechnet jetzt auf diesem Platz?«
    Liliths Schlüsselbund fiel auf den Boden. Sie hob ihn umständlich auf, ehe sie die Geldbörse zückte. »Das weiß ich aus dem Internet. Da gibt es jede Menge Fanseiten über das Quiz. Oder über Magie. Ich habe auch eine … witchdotcom.fr heißt sie. Ich betreibe sie zusammen mit ein paar Freunden.«
    Die Gothic-Hexe war rot geworden. Trotzdem schwang Stolz in ihrer Stimme.
    »Witchdot …«, begann Ravenna. Und brach wieder ab. »Und was macht man auf der Seite so?«
    »Man tauscht sich über geheimes Wissen aus.« Lilith räusperte sich. »Gibt Tipps zu Liebes- und Heilzaubern weiter, verlinkt die besten Ritualplätze, stellt Listen mit Zubehör ein – so was eben.«
    Etliche der Umstehenden nickten. Also war Lilith mit ihren Freunden gekommen?, fragte Ravenna sich verwirrt. Deshalb waren so viele Zuschauer hier? Plötzlich kam sie sich schrecklich altmodisch vor. Fast schon so vorsintflutlich wie ihr Ritter.
    »Du hast inzwischen ziemlich viele Fans«, erklärte Lilith. »Seit der Sache mit dem Spinnenfluch … seit du mich befreit hast, steigen die Zahlen stündlich an.«
    »Wow«, staunte Ravenna. Sie war tatsächlich eine Internet-Berühmtheit geworden? Sitzt eine Hexe in einer Rateshow …
    »Die zweite Runde findet eigentlich immer in den