Tore der Zeit: Roman (German Edition)
Katakomben statt«, fuhr Lilith fort. »Das heißt: Es passierte ja erst einmal. Der Gang in die Unterwelt. Man steigt in die Tiefe, löst die Aufgabe, und wenn man wieder hervorkommt, hat man die Runde gewonnen. So sind die Regeln. Vor dir gab es schon mal einen Typ, der den alchemistischen Koffer wählte. Ich glaube, er kam aus Rouen.«
»Aha«, sagte Ravenna. »Und was wurde aus ihm?«
Endlich hielt Lilith einen Geldschein zwischen den Fingern. »Nichts weiter. Er verschwand. Ist nie wieder aufgetaucht. Es hat damals einen ziemlichen Skandal gegeben. Der Sender wollte die Show aus dem Programm nehmen. Aber Beliar hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zu beweisen, dass dieser Kerl – wie hieß er denn nur? – einfach abgehauen ist. Ein Schwindler. So einer gewinnt natürlich keine Million.«
»Natürlich«, murmelte Ravenna. »Weißt du zufällig, welches magische Talent der Kandidat besaß?«
Lilith nickte eifrig. »Das habe ich nicht vergessen. Deshalb erinnere ich mich wahrscheinlich auch nicht mehr an seinen Namen. Beliar nannte ihn nämlich immer nur den Schlüsselmeister.«
Ravenna zuckte zusammen. Ein Schlüsselmeister. Jemand, der sich an Türen und Toren zu schaffen machte und sich mit magischen Portalen auskannte. Ausgerechnet so einer verschwand in den Katakomben? Sie nahm den Geldschein, den Lilith ihr entgegenstreckte, und faltete ihn zusammen.
»Danke. Wirklich, vielen Dank. Du hast uns sehr geholfen«, sagte sie. »Und viel Spaß noch mit dieser witchdotcom-Seite.«
»Viel Glück!«, rief Lilith hinter ihr her. Ravenna winkte. Da fielen auch die anderen Zaungäste in die Glückwünsche ein. Sie erntete sogar spontanen Applaus, der wegen der zahlreichen Handschuhe allerdings ziemlich gedämpft ausfiel.
Ihr Atem dampfte, als sie wieder ins Scheinwerferlicht trat. Sie schwitzte unter dem warmen Hexenmantel. »Komm!«, sagte sie zu Lucian und hakte sich bei ihm unter, um ihn von Beliar wegzuziehen. »Es geht los!«
Sofort wandte sich Beliar den Kameras zu und kommentierte die Ereignisse. Wie ein Profi wirkte er, das musste man ihm lassen. Vadym und sein kupferhaariger Jungmagier waren bereits in den unterirdischen Gängen verschwunden.
Ravenna trat zum Kassenhäuschen und kaufte die Eintrittskarten. Ein Kameramann, der sein Gerät auf der Schulter trug, heftete sich an ihre Fersen.
»Woher hast du denn das Geld?«, fragte Lucian. Erstaunt sah er zu, wie Billets, Münzen, eine Packung Salzmandeln und zwei Flaschen Mineralwasser den Besitzer wechselten.
»Von Lilith. Sie steht dort drüben. Vielleicht grüßt du sie mal. Dann freut sie sich.« Lucian drehte sich in die entsprechende Richtung und deutete eine Verbeugung an. Wieder schwoll Applaus an, und ein paar ermutigende Pfiffe gellten durch die Kälte.
Dann betraten sie die Katakomben.
Vadym, sein Gehilfe, ein weiterer Kameramann und die Assistentin, die zwei goldene Briefumschläge in der Hand hielt, erwarteten sie am Fuß der Treppe. Ravenna betrat die unterirdische Kammer. Gänge zweigten in verschiedene Richtungen ab. Die alten Stollen zogen sich durch die ganze Stadt. Früher hatte man die Tunnel als unterirdischen Steinbruch genutzt, doch nach mehreren Einstürzen im Stadtgebiet waren die Gruben in Katakomben umgewandelt worden.
»Ich überreiche unseren beiden Kandidaten jetzt einen Hinweis«, säuselte die Assistentin. Sie schwenkte zwei Briefumschläge vor der Kamera, damit auch wirklich jeder Zuschauer begriff, was sie enthielten.
Gierig griffVadym nach dem Kuvert. Auch Ravenna riss die Hülle auf. Zum Vorschein kam ein Kärtchen, in welches das Logo der Show geprägt war. Auf der Rückseite stand: Folge dem Spruch! Das war auch schon alles.
»Folge dem Spruch? Was denn für ein Spruch?«, platzte Ravenna heraus. »Was sollen wir denn mit so einem Hinweis anfangen?«
Lächelnd hob die Assistentin die Hände. Ravenna reckte den Hals. Sie wollte herausfinden, was aufVadyms Karte stand. Es war jedoch derselbe, nichtssagende Satz. Der russische Magier sah enttäuscht aus.
»Und schon geht es wieder los, meine Damen und Herren!«, rief die Assistentin. In ihrem glitzernden Hosenanzug stieg sie langsam die Treppe hinauf. »Gleich werden wir sehen, welches der beiden Teams mehr Scharfsinn besitzt. Viel Spaß bei einer neuen Runde WizzQuizz!«
Als sie allein waren, schaute Ravenna sich um. Anders als sie erwartet hatte, waren die Tunnel taghell ausgeleuchtet. Kabelstränge schlängelten sich über den Boden, und an der Decke
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