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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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unbefristeten Zeitraum, weg von allem, was mir vertraut war. In diesem Augenblick durchlebte ich das typische Totenbett-Syndrom – überall lose Enden, all die Kleinigkeiten, die man unbedingt noch in Ordnung bringen sollte, bevor man geht: Briefe schreiben, Kontoauszüge holen, das Buch auf dem Nachttisch zu Ende lesen … Wenn ich jetzt das Semester schleifen ließ, dann würde mich das in einen akademischen und finanziellen Ruin stürzen – und wer würde mir diese Erklärung schon abkaufen? Nein. Daß sie mich mitnahmen, konnte ich unmöglich zulassen. Aber die samtenen Schatten kamen bereits wieder näher. Ich mußte mich beeilen.
    „Tut mir leid“, konnte ich eben noch hervorstoßen, „aber das ist unmöglich. Ich kann nicht mitgehen …“
    „Ich fürchte, Sie müssen. Das ist eine absolute Notwendigkeit“, sagte er.
    „Nein“, sagte ich, langsam panisch, wobei ich gegen das Schlafen ankämpfte. „Nein, das … können Sie mir nicht antun.“
    „Ich glaube, in Ihrem eigenen Rechtswesen existiert eine vergleichbare Maßnahme. Man nennt es ‚Schutzhaft’.“
    „Und was ist mit Artikel 7224, Absatz C?“ keuchte ich. Ich spürte, wie meine Redeweise schleppend wurde, während mir die Augen zufielen.
    „Was haben Sie gesagt?“
    „Das haben Sie genau verstanden“, murrte ich. „Sieben … zwo … zwo … vier, Ab … satz … C … Das ist der Grund für …“
    Und dann, wieder einmal, nichts.
     
    Mehrere Zyklen der Wahrnehmung brachten mich in die nächste Nähe dessen, was man als ‚bei Bewußtsein’ bezeichnet – aber es verging eine gewisse Zeit, bis ich voll wach war. Mein so erreichtes Wachsein verbrachte ich zunächst mit dem Betrachten Kaliforniens. Es dauerte jedoch seine Zeit, bis ich auf den herrschenden Streit aufmerksam wurde, der in einer verhaltenen, fast akademischen Weise ausgetragen wurde. Sie ereiferten sich über eine meiner Bemerkungen.
    Oh, ja …
    Artikel 7224, Absatz C. Das hatte, so erinnerte ich mich, etwas zu tun mit dem Abtransport intelligenter Wesen von ihrem Heimatplaneten ohne deren Erlaubnis. Teil eines intergalaktischen Kidnappings, bei dem die Welt meiner Retter ihre Finger im Spiel hatte, das kam einer interstellaren Verschwörung schon sehr nahe. In der gegenwärtigen Situation gab es aber auch wahrlich genügend viele Dinge, über die man geteilter Meinung sein konnte: etwa über das Entführen intelligenter Lebewesen, die das überhaupt nicht haben wollten, über Quarantäne zum Schutz der betreffenden Spezies, über nichtmilitärische Repressalien bei Rechtsverletzungen, über Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der galaktischen Population und noch viele andere Themen aus diesem Komplex, die sie alle mit großer Breite durchdiskutierten. Offensichtlich hatte ich ein delikates Thema berührt, ganz besonders im Licht ihres erst kurze Zeit zurückliegenden Erstkontaktes mit der Erde. Ragma beharrte darauf, daß sie, wenn sie mich unter Berufung auf eine Ausnahmesituation mitnahmen, volle Rückendeckung ihrer Vorgesetzten haben würden. Wenn es je zu einem Punkt kommen sollte, wo eine Adjudikation notwendig wurde, und wenn das dann später ans Tageslicht kam, dann, so meinte Charv, würde man ihnen ihre Gesetzesinterpretation nicht so einfach durchgehen lassen; wahrscheinlich würde man sie sogar aus ihrem Job als trainierte Spezialisten zum Bodenpersonal versetzen. Mittlerweile versteifte Charv sich aber zu der Meinung, keine der Ausnahmeregelungen würde auf ihre Situation zutreffen, und es wäre nur zu offensichtlich, was sie getan hatten. Es wäre besser, entschied er, den telepathischen Analytiker, den sie konsultieren wollten, den Wunsch zur Kooperation in meinen Verstand implantieren zu lassen. Er war sicher, daß es einige gab, die ihr Problem auf diese Weise lösen konnten. Das aber erzürnte Ragma. Das sei sowohl eine klare Verletzung meiner Rechte unter einem anderen Vorzeichen als auch die Verschleierung ihrer eigenen Übertretungen. An so etwas wolle er nicht teilhaben. Wenn sie mich schon verschleppten, dann wolle er eine ordentliche Verteidigung, keine Verschleierung ihrer Tat. Also gingen sie alle Ausnahmesituationen noch einmal durch, jedes Wort sorgfältig abwägend. Sie sprachen frühere Präzedenzfälle durch, wobei ihr Tonfall immer an Jesuiten, Talmudisten, Wörterbuchherausgeber oder Jünger des Neuen Kritizismus erinnerte, je nachdem. Wir umkreisten immer noch die Erde.
    Eine ganze Weile später gab Charv ihrer Diskussion eine

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