Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)
eigenwilligen und seltenen, Technik. Shachin erhob sich. So schnell man auf die Schwingen des Raben aufsprang, so schnell fiel man von dort auch wieder herunter. Das flaue Gefühl in ihrer Magengegend würde bald vorbei gehen und dem trockenen Mund war mit etwas Wasser zu helfen.
Ein paar Minuten später hatte ihr Körper das Gift bereits verarbeitet, und sie begann damit, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken. Die alte Kapelle war nicht mehr sicher. Der Meister würde sie suchen und letzten Endes auch irgendwann hier nach ihr sehen. Er war wie sie. Er wusste um die Strategien und Verhaltensweisen der Schattenkrieger, und bei der Frage nach einem guten Versteck würde er zwangsläufig dieselbe Idee haben wie sie. Der Ort hier war geradezu verräterisch perfekt für jene, die wussten, wonach sie suchen mussten. Shachin wollte ihre Strategie ändern. Raus aus den Schatten, unter die Leute mischen und am normalen Alltag der Bürger Leuenburgs teilnehmen. Das Versteck in der Menge, in der Anonymität einer großen Stadt wie dieser, suchen. Die Gegend um die Dunkle Gasse wollte sie freilich meiden, doch prinzipiell war Sieben Schänken genau der richtige Nährboden für die Art Leute, unter die sie sich zu mischen gedachte. Morgen sollte die Heuer zur Reise ins Wilderland stattfinden und dann würde sie bis zur Abreise sowieso in der Garnison und damit von der Bildfläche verschwinden. Einzig der Aufbruch machte ihr noch etwas Sorgen. Würde es ein Auszug mit Pauken und Trompeten werden, gar der Herzog mit am Stadttor stehen und die Siedlungswilligen persönlich verabschieden? Sie hoffte nicht. Ohne viel Aufsehens die Stadt verlassen, das war ihre Absicht. Sich die nächsten Wochen keine Gedanken über Verpflegung, Unterkunft und das nächste Ziel machen zu müssen. Für sie war die Reise nur Mittel zum Zweck. Von der Bildfläche verschwinden, untertauchen, bis Gras über die Sache gewachsen war. Sie wusste nicht warum, doch hatte sie mit ihrem letzten Auftrag Dinge in Gang gesetzt, die sie vermutlich nur unter größten Schwierigkeiten wieder zum Stehen bringen konnte.
Zunächst hatte der Auftrag den Anschein gemacht, einer von vielen zu sein. Die übliche Geheimniskrämerei und eine gängige Bezahlung. Das Ziel auf den ersten Blick nichts Besonderes. Zwar ein hochrangiger Bürger der Stadt, aber weder geadelt noch im Besitz wichtiger Verbindungen dahingehend, so schien es zumindest. Angeworben in den dafür bekannten Etablissements und über einen Mittelsmann beauftragt. Es ging wohl um eine Betrugsgeschichte, und der Geschädigte wollte sich für den erlittenen Verlust auf besondere Art und Weise bedanken. Sie hatte nicht wissen können, dass es sich bei ihrem Ziel offensichtlich um einen Agenten des Herzogs von Hohenstein gehandelt hatte, woher auch. Jedenfalls schwebte der Tote, bevor ihn sein Schicksal ereilte, in einer für sie wider Erwarten absolut ungesunden Flughöhe innerhalb der Gesellschaft. Ihr Auftraggeber jedenfalls, war seinem Opfer bereits am Tag danach gefolgt und die Bezahlung dahin. Als wäre das nicht genug gewesen, hatte er vor seinem definitiv schmerzhaften und langsamen Ableben noch geplaudert, denn wiederum ein paar Tage später musste Shachin am eigenen Leib erfahren, dass auch sie nun auf der Abschlussliste stand.
Sie hatte jedoch Glück im Unglück gehabt und war gerade noch Zeuge seines unrühmlichen Todes geworden. Die Uniformen der Buchinger Schwerter kannte sie, und nach deren Intermezzo mit ihrem Geldgeber musste sie nur noch eins und eins zusammenzählen. Das Opfer war entweder Mitglied der Buchinger Schwerter oder aber des geheimen, herzoglichen Nachrichtendienstes gewesen. Genau wusste sie es bis heute noch nicht, doch spielte das jetzt auch keine Rolle mehr. Sie war auf der Flucht, und selbst hier, in den Landen des direkten politischen Gegners des Hohensteiner Herzogs, nicht sicher.
Nachdem sich Shachin vergewissert hatte, dass sämtliche Spuren ihrer Anwesenheit in der Kapelle verschwunden waren, machte sie sich auf den Weg. Sie warf sich ihr Cape über und zog die Kapuze dabei tief ins Gesicht. Es war kalt und das Wetter schlecht. Sie würde nicht auffallen. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt und jeder der konnte, würde sich so gut es ging in seine Kleidung hüllen. Von ihren Waffen und der ledernen Hose war nichts mehr zu sehen. An der Seite trug sie einen kleinen Beutel und auf dem Rücken, unter dem Cape ein Bündel. Ein paar
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