Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
Tjelden. Liams Vater mochte einst einer der ersten Helden dieses Landstrichs gewesen sein, doch er war nur ein Landmann. Ein Sohn derer, die diesen Boden der Wildnis entrissen und urbar gemacht hatten. Sein Leben lang hatte Liam schwer für sich, seine Familie und auch das Wohlergehen des Dorfes gearbeitet und jetzt sollte er plötzlich und völlig unbegründet für den Tod des Ältesten verantwortlich gemacht werden? In ihm sträubte sich alles gegen diesen abscheulichen Gedanken und plötzlich regte sich auch Widerstand in ihm. Was dachte sich Balkor? Glaubte er ernsthaft, er hätte Tjelden einfach so allein gelassen? Es war ihm schwer gefallen, ungemein schwer. Tjelden war der Älteste des Dorfes gewesen, und sein Rat und seine Weisheit würden bald mehr gebraucht denn je. Tjelden hatte eine Lücke hinterlassen, die nicht mehr geschlossen werden konnte. Nein, er hatte Tjelden nicht einfach so im Stich gelassen, ganz sicher nicht!
Liam suchte Balkors Blick. Sein Körper spannte sich. Er wusste nicht, was kommen würde, doch er war zu allem bereit.
>> Bleib ruhig Balkor! << , ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Alle wandten sich erschrocken um, und mehr als nur eine Hand suchte den Griff ihrer Waffe. Im nächsten Moment ging ein überraschtes Raunen durch die Reihen, gefolgt von einem hellen Freudenschrei. Es war Wanhold, der erste Krieger des Dorfes, und hinter ihm standen, leicht gebückt, zwei weitere Männer. Eine Frau, es musste Arien sein, rannte auf ihn zu und er schloss sie in die Arme. Bisher hatte sie das vermeintliche Los ihres Mannes tapfer ertragen, doch nun liefen Tränen der Erleichterung und Freude über ihre Wangen. Wanhold sah zu den beiden rüber und Liam war plötzlich unendlich erleichtert. Tjelden war gefallen und sein Verlust wog schwer, doch Wanhold war noch am Leben und mit ihm ein großer Führer ihres Dorfes.
>> Ich lebe auch noch wie du siehst! Hab ich deshalb Tjelden ebenfalls im Stich gelassen? << Wanhold sah Balkor auffordernd an und den Vorwurf in seiner Stimme konnte jeder hören.
Balkors Blick wanderte von Liam zu Wanhold und wieder zurück, und nach einigen Augenblicken sah er dann verlegen zu Boden.
Wanhold reichte das nicht. >> Ich sah, wie Tjelden Liam fortschickte und auch ich konnte ihm nicht mehr helfen. Er war bereits tödlich verwundet, als er sich diesen unheimlichen Weißen entgegenwarf. Er hat uns damit Zeit erkauft, Balkor, wertvolle Zeit, die du hier mit unnötigen Vorwürfen verschenkst! Ehrst du so das Andenken Tjeldens? << Wanhold löste sich von Arien und machte ein paar Schritte auf Balkor zu. Der wich zurück und senkte nun endgültig den Kopf. Diese Geste reichte Wanhold anscheinend aus, denn er ließ von Balkor ab. Sich langsam um die eigene Achse drehend, verschaffte er sich einen Überblick. Alle sahen ihn abwartend an und in den Blicken der Frauen und Männer lag Hoffnung. Wanhold holte tief Luft und straffte sich. >> Das Dorf ist verloren. Wir können nicht zurück! Unser Ziel liegt von nun an im Osten. << Wanhold deutete mit einer Hand in Richtung Berge und einige der Gesichter folgten seinem ausgestreckten Arm. Ungläubiges Gemurmel machte sich breit und viele sahen sich angsterfüllt an. Die Hoffnung von eben war mit einem Mal verschwunden.
>> Im Osten? << , fragte plötzlich eine alte Frau, >> Was wollen wir im Osten? Unsere Heimat ist hier! << Die Alte blickte verwirrt und ungläubig zu Wanhold.
Der schüttelte nur den Kopf und sah die Alte mitleidig an. >> Unsere Heimat ist nicht mehr. Sie ist verbrannt und in Blut getränkt. Wir können nicht zurück! <<
>> Warum verstecken wir uns nicht in den Bergen und warten ab, bis alles vorbei ist. Wir kennen uns dort aus, diese Kreaturen nicht. << , warf ein anderer ein und erntete zustimmendes Gemurmel.
Wanhold schüttelte abermals den Kopf. >> Ich weiß nicht, was das für Kreaturen sind, aber es sind ganz sicher keine marodierenden Räuber, die wieder abziehen, sobald ihre Taschen voll sind. Diese hier sind anders! << Wanholds Stimme wurde lauter.
Die Alte von eben, ihr Name war Sondrella, schnaubte und machte mit ihrer knorrigen Hand eine wegwischende Geste. >> Ich habe nun schon über siebzig Winter hier verbracht und mehr als nur ein Unheil über unser Dorf hereinbrechen sehen. So wie sie bisher kamen, so gingen sie auch wieder und so wird es auch diesmal sein. Ich bleibe ein
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