Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)
Bäumen. Nichts war zu sehen und kein Laut zu hören. Und trotzdem, er spürte dass sich ihnen etwas näherte. Die letzten Wochen als Anführer des Spähtrupps hatten seine Sinne und Wahrnehmungen geschärft und mehr als nur einen verkümmerten Instinkt wieder zum Leben erweckt. Er war sich einfach sicher. Ein schrecklicher Verdacht schlich sich langsam in sein Herz, auch wenn er noch so abwegig war. Verwirrt fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Dann schüttelte er stumm den Kopf. Das konnte nicht sein, das war unmöglich! Angst legte sich schlagartig auf sein Gemüt, und obwohl ihm sein Verstand anderes zu sagen versuchte, wusste er, dass es so war: die Hellen kamen!
Im nächsten Moment knackte es im Unterholz ganz in ihrer Nähe und Liam warf sich auf den Boden. Ilsa zog er einfach mit nach unten, presste sie an sich und drückte ihr eine Hand auf den Mund. Hastig schob er sich mit den Füßen an den Stamm einer der alten Eichen und wagte nicht zu atmen. Seine Gedanken rasten und trotz der unmittelbaren Gefahr, in der sie sich befanden, fragte er sich, wie es nur soweit hatte kommen können. Die Pferde waren schnell und ausdauernd gelaufen, unmöglich dass ihre Verfolger sie eingeholt hatten. Die Antwort kam ihm, als ihm klar wurde, wo sie sich befanden. Ilsa und er hatten das Lager in Richtung Osten verlassen, und genau von da kamen auch die Angreifer.
Das ist eine andere Gruppe! Ein bitterer Kloß bildete sich in seinem Hals und auf einmal wusste er, dass er sich geirrt hatte. Sie alle hatten sich geirrt. Alle außer einer: Balkor! Beim Gedanken an die Neuankömmlinge und die tragische Fehleinschätzung der Situation wurde Liam übel. Die fremden Flüchtlinge mussten diese Hellen unwissentlich hierher geführt und auf ihre Spur gebracht haben. Bei der Herrin! Balkor hatte Recht behalten, und jetzt würden sie alle den Preis für ihre alten, durch die Katastrophe längst überholten, Werte bezahlen. Der Schock über diese tragische Erkenntnis traf ihn hart und für den Bruchteil einer Sekunde ließ er alle Hoffnung fahren.
Ein Schemen rechts von ihnen riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung war und eisige Kälte kroch unbarmherzig in seine Glieder. Wenn man sie jetzt entdeckte, war alles vorbei. Mit einer dieser Gestalten würden sie zu zweit noch fertig werden, gegen eine Übermacht hatten sie jedoch nicht den Hauch einer Chance. Außerdem lagen sein Speer und auch das Schwert im Lager, und mehr als das kleine Messer am Gürtel trug er nicht bei sich. Sollte es zu einem Kampf kommen, dann war ihnen der Tod gewiss. An das Messer wagte er gar nicht weiter zu denken, geschweige denn, danach zu greifen. Jede Bewegung konnte sie nun verraten, und selbst der kleinste Laut würde in der Stille des Waldes wie ein wahrer Donnerschlag daherkommen. Ihre einzige Hoffnung lag nun in der Heimlichkeit.
Liam drehte den Kopf langsam zur Seite. Er sah, dass sich immer mehr helle Schemen aus den dunklen Umrissen des Waldes schälten und in ihre Richtung kamen. Wie lautlose Schatten stahlen sie sich an ihnen vorbei und hielten auf das Lager zu. Sie gingen weit nach vorne gebeugt und in absoluter Stille vorwärts. Einem Rudel ausgehungerter Wölfe gleich schlichen sie an ihre Beute heran und zogen den Kreis dabei immer enger. Wider Erwarten konnte er sie gut erkennen und zählte mindestens zwei Dutzend. Er schluckte und drückte Ilsa vor lauter Verzweiflung einen Kuss aufs Haar. Die hatte inzwischen mitbekommen was passierte und zitterte am ganzen Leib. Liam fühlte sich in diesem Moment entsetzlich hilflos. Panik wallte in ihm auf. Am liebsten wäre er lauthals schreiend losgelaufen und hätte das Lager gewarnt, doch das würde ihren sicheren Tod bedeuten. Sie konnten nichts anderes tun, als ausharren und abwarten. War das allein schon schlimm genug, so zerriss ihn die Sorge um Nalia innerlich. Ein Wechselbad der Gefühlte brandete auf, und nur mit Mühe konnte er seinen Verstand über das Verlangen des Herzens hinwegsetzen.
Unruhig ging sein Kopf von links nach rechts, und wieder zurück. Erschüttert stellte er fest, dass sie nicht nur in der Nähe der Hellen waren sondern sich mitten unter ihnen befanden. Einer ging keine zwei Schritte von ihrem Versteck entfernt an ihnen vorüber. Es war gespenstisch, mit anzusehen, wie diese unheimlichen Kreaturen aus dem Nichts auftauchten, und dann mit im Mondlicht silbern glitzernden
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