Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
werden für das nächste Mal tiefgefroren.
Jeder Mensch reagiert anders auf Hormone, darum gibt Dr. Lucy eine fundierte Schätzung ab, wie viel ich täglich injizieren soll. Wenn ich zu viel spritze, kann das nämlich ein sogenanntes ›ovarielles Hyperstimulationssyndrom‹ auslösen, was bedeutet, dass der Körper zu viele Eizellen produziert, man das Gefühl hat, als würde man aufplatzen, und aufgrund eines drohenden Organversagens im Krankenhaus landet. Spritzt man nicht genug Hormone, wird der Körper ganz normal nur eine Eizelle produzieren.
Meiner neuen IVF -Freundin Sharon wurden vor ein paar Tagen sechs Eizellen entnommen. Sie klang sehr aufgeregt, als sie mich anrief und mir die Neuigkeit mitteilte, nur um sich wenige Stunden später wieder mit dem Update zu melden, dass nur drei der sechs Eizellen befruchtet werden konnten. Und als ihre drei kleinen Embryonen in ihren Petrischalen heranwuchsen, gaben zwei den Löffel ab, sodass nur ein Embryo für den Transfer und keiner für den Tiefkühlschrank übrig blieb. Sharon gelang es nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen, als wir uns danach wieder einmal auf ein extragroßes Glas Gemüsesaft trafen. (Kaffee ist ein Luxus für Fruchtbare.)
»Ich wette, die haben sie absichtlich sterben lassen«, sagt Sharon. »Die wollen, dass nur ein Embryo überlebt. Die legen es auf eine zweite Eizellenentnahme an, um damit noch mehr Geld zu verdienen.«
Ich muss zugeben, Sharon hat eine tolle Möglichkeit entdeckt, wie Kinderwunschkliniken ihre Bilanz aufbessern können – vor allem, wenn es sich um zwielichtige Betreiber handelt, die sich keinen Deut um die medizinische Ethik oder um ihren Ruf scheren. Ich verkneife mir, Sharon darauf hinzuweisen, dass man eine IVF -Klinik normalerweise nicht eröffnet, um das schnelle Geld zu machen, genauso wie ich ihr den Hinweis erspare, dass der Gedanke, in Kinderwunschkliniken würden die Embryonen der Kunden absichtlich vernichtet werden, ziemlich verrückt klingt.
»Wie kommt es, dass alle bis auf einen abgestorben sind?«, fährt Sharon fort. »Die können mich belügen, und ich weiß es nicht einmal!«
»Warum sollten die dich belügen?«, frage ich und bin mir sicher, dass gerade die Hormone mit mir sprechen und nicht die ehemals vernunftbegabte Sharon. »Falls die Embryonen überlebt haben, was, glaubst du, haben sie mit ihnen gemacht?«
»Bestimmt verkaufen sie die auf eBay! Ich wette, man kann Embryonen für viel Geld online versteigern.«
Ich lache verlegen, weil ich mir nicht ganz sicher bin, ob das ein Scherz ist.
Sharon erzählt mir von einer Bekannten, die eine zwölfmonatige Therapiepause von der IVF -Klinik verordnet bekam, weil man sich um ihren Geisteszustand sorgte. Nach dem letzten gescheiterten Zyklus war Sharons Bekannte in die Klinik gegangen und hatte Dinge gesagt wie: »Ich weiß nicht, warum ich mir die Mühe mache. Ich weiß nicht einmal, warum Sie sich die Mühe machen. Ich schätze, es ist Ihnen auch egal. Sie wollen mein Geld, und ich gebe es Ihnen einfach.«
Die IVF -Klinik ist für ihren schlechten Ruf selbst verantwortlich. Schließlich rückt sie grundsätzlich keine Informationen über ihre Erfolgsquote heraus. Man muss aber nicht allzu tief bohren, um herauszufinden, dass für eine erfolgreiche Befruchtung im Durchschnitt sechs bis sieben IVF -Zyklen notwendig sind. Aufgrund der Hochglanzbroschüren kann man allerdings sehr leicht den Eindruck gewinnen, dass es höchstwahrscheinlich schon im ersten Zyklus klappt – spätestens beim zweiten Anlauf. Mein Akupunkteur rät mir, wenn ich mir nicht mindestens vier Zyklen sowohl finanziell als auch seelisch leisten könne, solle ich mir nochmals überlegen, ob ich überhaupt damit anfange.
Zurück in der Kinderwunschklinik, bin ich nicht überrascht, als der Ultraschall zeigt, dass nur einer meiner Eierstöcke Follikel produziert. Dr. Lucy hatte recht. Meine Fruchtbarkeitsmaschine fliegt nur noch mit einem Triebwerk – und selbst das funktioniert nicht hundertprozentig. Leider sind alle meine Follikel viel kleiner, als sie sein sollten. Zu diesem Zeitpunkt ist unklar, ob sie sich jemals so entwickeln, dass es sich lohnt, sie zu entnehmen.
Die Krankenschwester sagt, ich solle mir keine Sorgen machen (ja, klar) und morgen für die nächste Ultraschalluntersuchung und Blutabnahme wiederkommen. Auf eine Art bin ich froh, dass ich meinem Chef wegen meiner IVF -Therapie reinen Wein eingeschenkt habe. Wie könnte ich sonst die vielen Arzttermine
Weitere Kostenlose Bücher