Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
werden.
Wäre die Situation umgekehrt und Chris müsste beruflich fort, wäre das kein Problem. Er müsste nur hin und wieder einen Tag blaumachen, wenn eine Eizellenentnahme geplant ist. Er könnte nach Hause fliegen, sich einen runterholen und wieder zurückfliegen. Sicher, das ist ein langer Weg für einen Orgasmus, aber es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass ein Mann eine außergewöhnliche Strecke hinter sich bringt, um seinen Spaß zu haben. Ich hasse diese Ungerechtigkeit. Ich hasse, dass wir Frauen trotz aller Gesetze und Firmenbestimmungen nie gleichberechtigt sein werden, solange wir diejenigen sind, die die Kinder austragen.
Ich hörte einmal einen Kunden sagen, dass er nur dann eine Frau einstellen würde, wenn er keinen passenden Mann für die Stelle fände. Frauen würden zu viel Ärger machen, weil sie irgendwann alle schwanger werden und abhauen würden. Die gesetzliche Einführung von bezahltem Mutterschutz hat die Sache für die Frauen tatsächlich schlimmer statt besser gemacht, was ihre berufliche Zukunft betrifft. Vergleichsstudien haben gezeigt, dass Länder mit der familienfreundlichsten Politik auch eine Glasglocke aus dem stärksten Sicherheitsglas haben. Die Forscherin Catherine Hakim schreibt in einem Artikel mit dem Titel Die Mutter aller Paradoxe , der in der Monatszeitschrift Prospect erschienen ist, dass »großzügige Mutterschutzbestimmungen die Privatwirtschaft dazu verleiten, Frauen systematisch von der Einstellung auszuschließen … das traurige Ergebnis ist, je besser die Rechte der Mütter geschützt sind, desto seltener gelingt es Frauen, an die Spitze aufzusteigen«.
Ich denke den ganzen Tag über den Tribut nach, den meine Karriere der Mutterschaft bereits gezollt hat. Als ich zu Hause ankomme, habe ich eine Stinkwut. Chris kommt kurz nach mir und sieht mich mit Türen knallen und gegen Schränke treten, während ich fluche wie ein Bierkutscher. Ich verliere nur äußerst selten die Beherrschung, und ich habe sie noch nie so sehr verloren wie jetzt. Ich spüre die Wut eines lebenslangen prämenstruellen Syndroms, das sich in einem einzigen Moment entlädt. Es ist fast wie eine außerkörperliche Erfahrung. Ich sehe mich selbst, während ich mich wie eine Verrückte aufführe, aber ich kann nicht aufhören. Ich bin völlig außer Kontrolle.
»Was auch immer ich angestellt habe«, sagt Chris, »es tut mir leid.«
Er bringt den Spruch mit seinem klassischen Timing für Komik. Ich fange an zu lachen, aber schnell wird daraus ein Schluchzen. Chris hält mich fest, während ich gegen seine Brust trommle und mich ausweine. Als ich mich beruhigt habe, sagt er: »Tja, schätze, die Medikamente beginnen zu wirken.«
21
Speziallieferung
I ch habe mich in ein Nadelkissen verwandelt. Mein Körper ist nicht nur übersät mit Einstichen von den täglichen Hormonspritzen und den Akupunktursitzungen dreimal in der Woche, sondern er ist auch ganz weich und wabbelig geworden. Ich habe zwei Kilo zugenommen, und dabei sind erst ein paar Tage um. Als ich für die nächste Ultraschalluntersuchung in mein blaues Krankenhaushemd schlüpfe, erhasche ich einen kurzen Blick auf mein Spiegelbild. Ist das Cellulitis an meinem Bauch oder bloß ein Schatten? Mir fällt ein, dass meine Bekannte Cathy erzählt hat, sie habe während ihrer zweijährigen IVF -Therapie fünfzehn Kilo zugenommen.
Ich bin im letzten Jahr so oft durchleuchtet und durchstochert worden, dass eine Ultraschalluntersuchung für mich ein Kinderspiel sein sollte, aber Pustekuchen. Die Beine vor einer wildfremden Person breitzumachen und einen kalten Metallgegenstand in sich hineingeschoben zu bekommen ist einfach etwas, an das man sich nicht so leicht gewöhnen kann. Die heutige Untersuchung dient der Kontrolle, ob mein Fortpflanzungsapparat angemessen auf die Stimulationsspritzen reagiert. Die Hormone bewirken, dass der Körper in einem Zyklus mehr als nur eine Eizelle heranreifen lässt. Sie haben eine ähnliche Wirkung wie die Fruchtbarkeitstabletten, die ich vorher genommen habe, nur in viel größerem Ausmaß. Statt zwei bis drei Eizellen pro Zyklus können durch die Spritzen bis zu zwanzig Eizellen heranreifen. Und mehr Eizellen erhöhen die Effizienz. Denn für die Entnahme ist ein operativer Eingriff notwendig, und weil manche Eizellen die Entnahme oder Befruchtung wahrscheinlich nicht überleben, haben die Ärzte gerne ein paar davon in Reserve, nur für alle Fälle. Überzählige Embryonen
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