Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
ich schätze mich auch glücklich. Aber warum überhaupt? Soll ich mich glücklich schätzen, dass Chris die Verantwortung übernimmt, auf sein eigenes Kind aufzupassen? Sind unsere Erwartungen so niedrig, dass jedes Mal, wenn sich unsere Partner um ihre Kinder kümmern, das als ein Geschenk betrachtet werden sollte, das wir dankbar annehmen müssen? Ist Chris jemals gefragt worden, wer auf Violet aufpasst, wenn er zum Schreiben im Café saß? Und falls ja, denken Sie, die Leute nennen ihn einen Glückspilz, weil die Mutter sein Kind hütet? Eher unwahrscheinlich.
Eine Bekannte, die vor Kurzem zum zweiten Mal entbunden hat, erzählt mir, wie schwer es mit zwei Kindern sei. Dann fügt sie hinzu: »Aber ich habe Glück, weil mein Mann sich hin und wieder um die Mädchen kümmert, damit ich unter die Dusche springen kann.«
Manche Frauen in meinem Bekanntenkreis, die ich damit konfrontierte, dass sie ihre Arbeit und damit sich selbst abwerten, gaben zur Antwort: »Ja, aber mein Mann hasst seinen Job, während ich es genieße, Mutter zu sein.« Aber ob man seine Arbeit mag oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass es immer noch Arbeit ist, dass sie immer noch schwer ist und dass sie immer noch Anerkennung verdient. Am Anfang meiner Karriere liebte ich es, Management Consultant zu sein. Aber ich dachte nicht für einen Augenblick, dass meine Arbeit weniger wichtig und weniger wertvoll war als die Arbeit von jemandem, der seinen Job hasste. Das hat nichts miteinander zu tun. Aber in der Welt der Mütter verwischen wir diese Unterscheidung durch den Umstand, dass wir uns glücklich schätzen, Mutter zu sein, und dankbar sind, Kinder zu haben, sogar noch weiter.
Hinzu kommt, dass wir uns durch den Konkurrenzkampf gegenseitig abwerten. Wir können nicht anders, als auf andere Mütter zu schielen und uns mit ihren Fähigkeiten und Werten zu vergleichen. Es gibt einen unausgesprochenen Wettbewerb, wer die bessere Mutter ist – wer begabter ist und bereit, die größeren Opfer zum Wohl des Kindes zu bringen. Eine Mutter fragte mich neulich, wie viel Violet wiege. Ich antwortete, dass ich es vergessen hätte. Ich wusste es wirklich nicht mehr. Ich hatte seit Monaten nicht richtig geschlafen, ich konnte mir kaum meine eigene Adresse merken. Dann fragte sie weiter, ob es mir zu peinlich sei zu antworten, weil Violet so pummelig ist. Eine andere Mutter erzählte mir, sie sei froh, dass sie nie nachgegeben und ihrem Kind einen Schnuller erlaubt habe. Zu diesem Zeitpunkt saß Violet auf meinem Schoß und nuckelte an ihrem Schnulli. Und wieder eine andere Mutter erzählte mir, dass sie ihr Kind nie mit kommerzieller Babynahrung füttern würde. Sie bereite für ihren Sohn alles frisch zu, ausschließlich aus Bioprodukten. Ein paar Tage später begegnete ich ihr zufällig im Supermarkt, im Gang für Babynahrung, mit einem Wagen voller kommerzieller Fertigprodukte für Babys.
Ich würde gerne behaupten, dass ich anders bin, aber das bin ich nicht. Ich schäme mich zuzugeben, dass ich genauso zickig und bewertend bin wie alle anderen. Im Supermarkt sehe ich ein Kleinkind, das einen heftigen Tobsuchtsanfall hat. Die arme Mutter macht einen absolut fertigen Eindruck, sie hat Tränensäcke unter den Augen, so dick, dass sie fast zu platzen scheinen, und sie sieht aus, als würde sie jeden Moment losheulen. Sie schnappt sich eine Packung Lollis aus dem Regal und gibt sie ihrem Kind, damit es aufhört zu brüllen. Bevor ich es verhindern kann, verurteile ich sie. Ich denke an all die Theorien über Disziplin, und einen Wutanfall mit Lollis zu belohnen empfiehlt sicher keine davon. Ich bin so eine Kuh. Wie komme ich dazu, diese arme Mutter zu verurteilen? Ich habe keine Ahnung, in welcher verzweifelten Lage sie vielleicht steckt. Das ist genauso schlimm, wie wenn die Leute mich verurteilen, wenn ich Violet die Flasche gebe, weil sie keinen blassen Schimmer haben, wie schwer das Stillen für mich ist.
Ich kann nicht für andere Mütter sprechen, aber die Geschwindigkeit, mit der ich andere Mütter verurteile, rührt von meiner Unsicherheit her. Ich wünsche mir verzweifelt, eine gute Mutter zu sein, und das Konzept von ›gut‹ macht nur Sinn, wenn es auch ›schlecht‹ gibt. Wenn ich eine andere Mutter bei etwas beobachte, was ich niemals tun würde, dann gibt mir das insgeheim das befriedigende Gefühl, es besser zu machen, anstatt ihre Entscheidung zu respektieren oder mit ihr zu fühlen, weil sie eine schwere Zeit durchmacht.
Weitere Kostenlose Bücher