Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
folgen, statt zu versuchen, anderen entgegenzukommen. Der beste Rat, den ich bekomme, stammt von einer Hebamme, die selbst Mutter ist und ein Leben lang Erfahrung mit Kindern gemacht hat. »Die Brust ist am besten«, sagt sie. »Aber manchmal ist das Fläschchen sogar noch besser.« Für diese Frau ist ein Platz im Himmel reserviert, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich an den Himmel glaube.
Der Babyblues kommt und geht während der nächsten paar Wochen. Ohne Vorwarnung und ohne offensichtlichen Auslöser verwandle ich mich in ein heulendes Elend. Jedes Mal, wenn ich einen Blick in den Spiegel werfe, muss ich noch mehr weinen. Ich bin so aufgeschwemmt, dass ich gar nicht mehr wie ich selbst aussehe. Ich passe nicht einmal mehr in meine Schwangerschaftskleidung, also verbringe ich den Tag im Pyjama oder in Chris’ Trainingsanzug.
Aber nachdem ich einmal den Kniff mit dem Stillen heraushabe und die mütterlichen Fähigkeiten bis zu dem Grad verinnerlicht habe, an dem ich das Gefühl habe, dass Violet durch meine Inkompetenz weder verhungern noch sonst wie sterben wird, fange ich an, die Mutterschaft zu lieben. Sie erfüllt mich so sehr, dass ich nichts anderes mehr machen oder sein will als eine Vollzeitmutter. Es ist einer dieser seltenen Momente der Zufriedenheit, wenn man auf sein Leben blickt und sagen kann, dass es nichts auf der Welt gibt, was man lieber täte als das, was man gerade tut. Dieser Zustand der puren Glückseligkeit hält ungefähr zwei Monate an.
Als Violet circa fünf Monate alt ist, beginnt ein Gefühl der Unzufriedenheit in mir aufzukeimen, das im Laufe der folgenden Wochen Wurzeln schlägt. Ich vermisse mein altes Leben. Ich fühle mich einsam, isoliert, gelangweilt und langweilig. Ich bin eine dieser langweiligen Mütter geworden, die über nichts anderes reden können als über ihr Kind. Wenn ich mich mit Freunden treffe, kostet es mich Anstrengung, etwas zu der Unterhaltung beizutragen, einerseits, weil ich so müde bin, dass ich Konzentrationsschwierigkeiten habe, aber hauptsächlich, weil es in meinem Leben nichts anderes mehr gibt außer Violet. Das Einzige, wozu ich mich kompetent äußern kann, sind Violets Schlafgewohnheiten und die geplante Umstellung auf feste Nahrung. In den Zeiten vor der Mutterschaft kreisten bei Treffen mit Freunden die Gespräche meistens um den Job. Aber niemand interessiert sich für meinen Job, weil der darin besteht, Mutter zu sein. Unsere Gesellschaft interessiert sich nur für Mütter, wenn es um den Verkauf von Reinigungsprodukten oder um den Vorwurf geht, das Kind zu sehr zu verwöhnen oder zu vernachlässigen, manchmal auch beides gleichzeitig.
Oh, das schlechte Gewissen! Ich kann mir meine wachsende Unzufriedenheit kaum selbst eingestehen, geschweige denn mich der Schmach aussetzen, sie jemand anderem zu beichten. Also lasse ich es. Ich lasse sie wochenlang gären, bis Chris mich eines Tages fragt, was los sei, und alles aus mir herausplatzt.
»Ich bin eine schlechte Mutter«, schluchze ich. »Ich bin die größte Versagerin als Mutter und als Frau«, heule ich weiter. »Ich habe so ein Glück, dass ich Violet habe. Sie ist absolut göttlich. Wie kann ich es da wagen, mehr im Leben zu verlangen?«
Chris sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und sagt: »Natürlich willst du mehr. Warum solltest du dir nicht all das zurückwünschen, was du vorher hattest?«
Ich weiß, das ergibt vollkommen Sinn. Bevor ich Violet bekam, hatte ich das Bedürfnis nach sozialer Interaktion, Anerkennung, Leistung und nach persönlichem Freiraum. Es ist grotesk zu glauben, dass dieses Verlangen sich auflöst oder von Bedürfnissen ersetzt wird, die durch die Mutterschaft gestillt werden. Ich weiß, es ist normal, um Dinge zu trauern, die man verloren hat. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Ich habe schließlich alles darüber gelesen. Ich hatte nur gehofft, dass es mich aus irgendeinem Grund nicht betrifft, dass es bei mir irgendwie anders sein wird. Scheinbar habe ich denselben Fehler gemacht wie so viele Frauen, über die ich bei meinen Recherchen gelesen habe: Ich habe die Liebe für mein Baby mit der Liebe für die Mutterschaft gleichgesetzt.
Es gibt keinen Zweifel, dass ich für Violet so viel empfinde, dass ich für sie mein Leben hergeben würde, aber was die Mutterschaft betrifft, ist das eine andere Geschichte. Genau wie meine Freundin Sophie vor all diesen Monaten in ihrer E-Mail schrieb, ist die Mutterschaft manchmal die reinste
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