Torso
ist das?«, fragte Frieser.
Der Techniker vom Landeskriminalamt öffnete ein anderes Programm. EGNOS erschien kurzfristig auf dem Bildschirm.
»Was ist EGNOS? «, fragte Brenner.
»Ein Fernerkundungsprogramm der Europäischen Union«, antwortete der Mann. »Es ist noch in der Testphase. Es sammelt Satellitendaten, um Agrarsubventionen zu überwachen. So kann man von einem Büro in Brüssel aus sehen, wer wie viel Raps oder Mais anbaut.«
»Und wir. Was machen wir damit?«
»Das hier.«
Der Mann zoomte eine Stelle auf einer Landkarte heran. Die Polizisten trauten ihren Augen nicht. Man sah ein Dorf, eine Ausfallstraße, einen See, ein Waldstück. Die Auflösung wurde immer größer. Sogar Straßennamen wies das System aus.
»Die Clusterkoordinaten weisen auf diesen Ort«, sagte der Mann.
»Weiß Ihr System auch, was sich dort befindet?«, wollte Findeisen wissen.
»Nein. Aber das Liegenschaftsamt weiß es. Eine ehemalige sowjetische Kaserne.«
Sinas Blick wanderte von dem Satellitenbild weg zu den altertümlichen Drohbotschaften.
NULLUS DOLUS CONTRA CASUM .
VITA MIHI MORS EST .
PIETAS VINDICTAM AVERTENS .
Zollanger konnte Latein?
[home]
52
S ie saß ratlos auf der Treppe, bis es sieben Uhr schlug. Es war kalt. Außerdem bekam sie allmählich Hunger. Sie dachte sehnsüchtig an den Rest Linsensuppe, der in Erics Kühlschrank stand.
Sie schlich die vier Treppen hinunter und verharrte auf dem Treppenabsatz über Erics Wohnung. Sie wartete einige Minuten. Als sie nichts hörte, ging sie ein paar Stufen abwärts und musterte misstrauisch die Tür. Nichts Verdächtiges. Rasch zog sie den Schlüssel hervor, steckte ihn so geräuschlos wie möglich ins Schloss, öffnete, huschte hinein, schloss die Tür wieder und lehnte sich von innen dagegen.
Plötzlich spürte sie ein Vibrieren in ihrer Hosentasche. Sie zuckte nervös zusammen und zog das Handy heraus.
Wo sind Sie?
stand auf dem Display. Sie drückte die Botschaft weg, schaltete das Handy aus und steckte es wieder ein. Hatte dieser Bulle doch recht? Sollte sie nicht besser so schnell wie möglich von hier verschwinden?
Sie wagte nicht, das Licht einzuschalten, aber von draußen kam genügend Helligkeit ins Zimmer. Sie schlich in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm den Topf mit dem Suppenrest und löffelte ihn kalt in sich hinein.
Die Mahlzeit bekam ihr nicht besonders gut. In der U-Bahn wurde ihr übel. Oder war es die Angst, die langsam heraufdämmernde Einsicht, dass sie wirklich in Gefahr sein konnte, die für das flaue Gefühl in ihrem Magen verantwortlich war? Das Bild dieses Kommissars, der ohne Warnung auf die beiden Verfolger in seiner Garage geschossen hatte, ließ ihr keine Ruhe. Berufskiller, hatte er gesagt. Auftragsmörder. Aber warum war der Bulle mit ihr geflohen, anstatt Verstärkung zu rufen? Er sei seit dreißig Minuten kein Polizist mehr, hatte er gesagt. War das sein Ernst? Sollte sie zur Polizei gehen? Oder aus Berlin verschwinden, wie er ihr geraten hatte?
Sie schaute sich misstrauisch um, zwei Plastiktüten mit ihren restlichen Habseligkeiten und Erics Festplatten zwischen die Beine geklemmt. Die U-Bahn war gut gefüllt. Niemand beachtete sie, aber ihr kam mittlerweile jedes Gesicht verdächtig vor. Nach der Haltestelle Leopoldplatz bereute sie es fast, sitzen geblieben zu sein. Sie vermied jeglichen Blickkontakt mit den Gestalten, die auf den anderen Sitzen herumhingen. Die meisten waren glücklicherweise ohnehin mit ihren Handys beschäftigt. An der Osloer Straße stieg sie um, fuhr bis Wittenau und ging den restlichen Weg zu Fuß. Immer wieder schaute sie sich ängstlich um, ob ihr jemand folgte. Aber ihr Verdacht war wohl unbegründet.
Als sie gegen acht Uhr die Kiezoase erreichte, war sie geschlossen. Sie ging um das Gebäude herum. Den Hintereingang schloss Jojo Jesus nie ab, damit der Kühlschrank nachts für Straßenkinder erreichbar blieb, die sich tagsüber hier nicht blicken ließen. Sie schaute durch die regennasse Fensterscheibe ins Innere. Der Kühlschrank stand offen. Noch immer kaputt. Sie ging zur Hintertür und rüttelte daran. Verschlossen. Heute ging offenbar alles schief.
Sollte sie warten? Hier war es zu kalt. Sie hob ihre Plastiktüte auf und setzte sich wieder in Richtung Vordereingang in Bewegung. Da sah sie die beiden Männer. Sie standen auf der anderen Straßenseite hinter einer Reihe geparkter Autos, unterhielten sich und schauten nicht zu ihr herüber. Aber Elin spürte sofort, dass sie dort
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