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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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er auf dem Etikett der Robe.
Abbigliamento ecclesiastico.
    Die Leinwand, auf der er soeben die Videoaufnahmen gesehen hatte, war noch heruntergelassen. Der Beamer neben ihm rauschte.
    Er musste den Oberstaatsanwalt informieren. Den Polizeipräsidenten. Den Innensenator. Zieten konnte doch nicht ernsthaft von ihm verlangen, diese Sache auch nur eine Stunde länger unter Quarantäne zu halten? Das konnte ihn den Kopf kosten. Wenn Zietens Tochter etwas zustieß? Warum war dieses Band überhaupt hier in Zietens Büro und nicht bei der Polizei? Er hätte sich niemals auf diese Sache einlassen sollen. Schon die Haarprobe mitzunehmen und untersuchen zu lassen war ein Fehler gewesen. Wie sollte er das rechtfertigen? Und jetzt ging die Sache weiter? Nein, er hatte keinerlei Lust, für Zietens krumme Geschäfte den Kopf hinzuhalten.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er, als Zieten zurückkam.
    »Nicht gut«, erwiderte Zieten. »Wie du dir leicht vorstellen kannst.«
    »Hajo, ich …«
    Aber Zieten ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Ich habe eben nicht nur mit Ulla telefoniert«, sagte er. »Bitte geh in den Nebenraum. Da will jemand mit dir sprechen.«
    Friesers Augen verengten sich. »Was fällt dir ein«, brach es aus ihm heraus. »Ist das die Art und Weise, wie du deine Freunde behandelst? Du hintergehst mich ständig, deine gutsmeisterliche Art beginnt mich langsam anzuko …«
    »Du würdest in meiner Lage genauso handeln wie ich, Jochen. Du hast keine Vorstellung davon, was es mich kostet, die Nerven zu behalten. Also bitte, geh nach nebenan und nimm den Telefonhörer.«
    Frieser erhob sich und ging wütend ins Nebenzimmer. Der Hörer lag auf dem Konferenztisch. Er knallte die Tür hinter sich zu, hob ihn auf und legte ihn an sein Ohr.
    »Hier Frieser.«
    »Guten Tag, Herr Frieser. Hier spricht Britta Jungblut.«
    »Frau Staatssekretärin …«
    »Wir haben ein heikles Problem, Herr Frieser. Ich habe gerade mit dem Oberstaatsanwalt gesprochen. Der Fall, den Sie bearbeiten, berührt möglicherweise vitale Interessen der Stadt. Sie haben das Video aus der Überwachungskamera mit eigenen Augen gesehen?«
    »Ja.«
    »Können Sie bestätigen, dass es sich bei dem Täter wirklich um Hauptkommissar Martin Zollanger handelt?«
    »Soweit bei Videoaufnahmen überhaupt etwas sicher ist, ja. Es ist Zollanger.«
    »Haben Sie weitere Spuren überprüft, die auf seine Täterschaft hinweisen?«
    Frieser lief nervös hin und her und versuchte, ruhig zu bleiben. Mit Zieten war er fertig. Dieser verfluchte Strippenzieher.
    »Sollten Sie all diese Fragen nicht besser Herrn Zieten stellen, Frau Staatssekretärin? Offenbar hat er ja die Ermittlungen übernommen. Wie er in den Besitz dieses Videobandes gekommen ist …«
    »Bitte regen Sie sich nicht auf, Herr Frieser. Wenn ich richtig informiert bin, hat Herr Zollanger dieses Beweismittel unterschlagen. Oder ist das nicht so?«
    »Das werde ich jetzt gleich herausfinden.«
    »Wie steht es mit den anderen Beamten?«
    »Was soll ich denn dazu sagen? Sie arbeiten alle sehr intensiv an dem Fall. Wollen Sie hier vielleicht andeuten, die ganze siebte Mordkommission sei eine Bande von Gewaltverbrechern?«
    »Ich will gar nichts andeuten, Herr Frieser. Wir haben es mit einer völlig außergewöhnlichen Situation zu tun. Herrn Zietens Tochter wird vermisst. Ein Hauptkommissar legt in der Stadt Leichenteile aus. Und ich stehe vor der nicht ganz einfachen Entscheidung, ob ich mir die Zeit nehmen soll, die ganze siebte Mordkommission durch die Mangel zu drehen, oder es darauf ankommen lasse, dass die anderen okay sind. Denn wenn ich sie jetzt nicht weiterarbeiten lasse, stehen die Chancen für das Mädchen wohl eher schlecht. Also, welches ist das größere Risiko? Was raten Sie mir?«
    Frieser biss sich auf die Lippen. Die Frage, ob Zollanger die einzige faule Frucht in diesem Haufen war, war ihm natürlich auch schon gekommen. Aber war das vorstellbar? Sina Haas. Udo Brenner. Krawczik und die anderen. Das waren doch alles tüchtige Leute ohne jeden Fehl.
    »Nun?« Die Staatssekretärin ließ nicht locker.
    »Ich kann diese Frage nicht beantworten«, sagte er. »Nach allem, was ich heute erlebt habe, kann ich für niemanden garantieren.«
    Britta Jungblut schwieg einen Augenblick lang. Dann sagte sie: »Wir können unmöglich riskieren, dass dem Mädchen etwas zustößt. Intensivieren Sie die Ermittlungen. Ich will, dass Sie mir stündlich berichten. Auch wenn es nichts zu berichten gibt. Wir

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