Torso
aufzuhalten war, indem man diesen Verlust zunächst kaschierte und sodann in kleine Päckchen aufteilte. Danach mussten die noch lukrativen Teile ausgegliedert und in Sicherheit gebracht und die faulen, unrettbaren Verluste der öffentlichen Hand untergeschoben werden. All dies war in seiner »Phoenix-Vorlage« detailliert beschrieben. Die beiden Banker schauten ihn ernst an, als er zum Schluss kam. Und Zieten hörte die Stimme in ihren Köpfen: »Die VKG ist pleite. Was Zieten sich ausgedacht hat, ist völlig aberwitzig. Wenn das klappt, grenzt es an ein Wunder. Aber etwas anderes als ein Wunder kann uns auch nicht mehr retten.«
In diesem Augenblick betrat die Sekretärin den Raum und legte Zieten einen kleinen Zettel auf den Tisch. Er überflog die Mitteilung, erhob sich dann und sagte:
»Meine Herren, entschuldigen Sie mich bitte einen ganz kurzen Augenblick. Ich bin ohnehin am Ende meiner Präsentation angelangt, und Sie haben vielleicht Lust, sich kurz auszutauschen. Ich bin sofort zurück.«
Er ging in sein Büro und wählte rasch. Seine Frau antwortete nach dem ersten Klingeln.
»Warum gehst du nicht an dein Handy?«
»Liebling, ich bin in einer wichtigen Sitzung.«
»Es ist genauso, wie ich gesagt habe. Inga ist weg. Verschwunden.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ihr Tenniszeug liegt im Kofferraum. Die Wohnung sieht so aus, als sei sie kurz zum Sport gegangen und von dort nicht zurückgekehrt. Seit gestern Abend hat niemand sie mehr erreicht. Hans, da stimmt etwas nicht.«
Zieten schaute missmutig vor sich hin. Dummes Zeug, dachte er, aber er wusste, dass er seine Frau damit nicht von ihrer fixen Idee befreien würde.
»Was willst du denn tun?«, fragte er.
»Ich werde die Polizei rufen.«
»Was? Bist du verrückt! Warum denn das?« Er überlegte kurz. »Hör zu. Ich bin hier in einer halben Stunde fertig. Ich komme, schaue mir das selbst an, und wenn Inga bis dahin nicht aufgetaucht ist, gehen wir zur Polizei. Bis dahin unternimmst du nichts, hast du verstanden?« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Spätestens um halb sieben bin ich da.«
Er versuchte, ruhig zu bleiben. Ulla war hysterisch. Wo sollte das Mädchen schon sein? Und dann die Polizei. Die würden sofort einen riesigen Wirbel veranstalten, Inga vielleicht zur Fahndung ausschreiben, nur um sie am Ende aus irgendeinem Bett zu zerren. Und die Polizei hätte bestimmt so eine Schmeißfliege von der Presse im Schlepptau. Presseaufmerksamkeit. Das fehlte ihm gerade noch.
Als er zurückkam, herrschte eine schwer einzuschätzende Stimmung im Raum. Die Banker begannen, knifflige Fragen zu stellen. Als die Begriffe »Bereinigung von Betreiberaktivität« und »Abkopplung von der internen Konzernverrechnung« fielen, hörte noch niemand so richtig hin. Aber als Orte wie Dublin oder Cayman Islands erwähnt wurden, erwachte plötzlich das Interesse eines der Gewerkschaftsvertreter. Ob diese ganze Konstruktion denn legal sei, wollte er wissen. Zieten liebte solche Fragen.
»Legal. Nun, das kommt ganz darauf an.«
»Worauf?«
»Ob Sie eine Privatperson sind oder nicht. Wenn Sie einer Privatperson in einer vergleichbaren Situation raten würden, derartige Risiken einzugehen, um einen Konkurs zu vermeiden, könnte man Sie vermutlich belangen. Da wir uns hier aber in einer Mischform aus öffentlichem und privatem Interesse befinden, sehe ich kein Problem. Ein Staat, eine Regierung kann und muss Risiken eingehen, die einem Bürger natürlich verboten sind. Außerdem haben Sie gar keine Wahl. Wenn Sie dieser Lösung nicht zustimmen, ist die Treubau-Gesellschaft in drei Wochen pleite. Der Totalverlust wird voll auf das Konzernergebnis der VKG durchschlagen.«
»Was interessiert uns das?«, wollte der Theologe wissen. »Die TBG ist ein Privatunternehmen. Wenn sie sich verspekuliert hat, ist das doch nicht unser Problem.«
Zieten musste lächeln. Die beiden anderen Bankvertreter schauten peinlich berührt zu Boden.
»Die VKG ist ein Konzern«, erklärte Zieten, »an dem das Land über die Landesbank beträchtliche Anteile hält. Für alle Kredite, die uns gegenwärtig Schwierigkeiten bereiten, haftet letztlich nicht der Konzern, sondern das Land.«
Der Theologe schüttelte den Kopf. »Das heißt also, wir haben einen Konzern, der sich mit hochspekulativen Geschäften an den Rand des Ruins gebracht hat, und das Land, das heißt der Steuerzahler, soll jetzt dafür haften?«
»So haben die Parteien es vor sechs Jahren beschlossen«, erklärte
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