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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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herausgefallen oder gar nicht erst Teil davon geworden. Wie sie selbst ja auch. Sinnlos, darüber zu reden. Man musste sich arrangieren. Zur Not in einem Heizungskeller.
    Elin sah nicht, dass Mirat vor dem LIDL -Geschäft herumstand und bettelte. Stattdessen sah sie, dass vier Gestalten vor ihr auf dem Fahrradweg standen und keinerlei Anstalten machten, zur Seite zu treten. Sie klingelte und schaute erst dann richtig hin, wer da stand. Und dann war es zu spät. Sie bremste. Die vier Jugendlichen hatten sich wie ein Mann umgedreht und kamen nun auf sie zu.
    »Hast’en Problem, Fotze?«
    Die vier waren kaum zu unterscheiden, und ihre Aufmachung ließ wenig Deutungsspielraum zu. Kahl rasierte Schädel, schwarze Lederjacken, Consdaple-Kapuzenpullis, Doc-Martens-Springerstiefel. Elins Atem ging ohnehin schnell, doch als die vier sich um sie aufgebaut hatten, dachte sie, sie würde gleich ersticken. Sie hatte gehofft, ein paar Sekunden Zeit zu haben, sich eine Strategie auszudenken, aber das war ein Irrtum.
    »Hab dich was gefragt, Fotze.«
    »Nein. Kein Problem. Kann ich bitte weiterfahren.«
    »Weiterfahren. Die Fotze will weiterfahren.«
    Nur der Anführer sprach. Die anderen drei grinsten bisher nur.
    »Für Fotzen gibt’s hier Wegzoll. Fünfzig Euro.«
    Das fanden die anderen drei offenbar witzig. Jedenfalls lachten sie meckernd.
    Elin schaute den Anführer an. Dann traf sie eine Entscheidung.
    »Das mag ja sein. Ich heiße aber Elin. Und du?«
    Die drei lachten nicht mehr. Der Anführer verzog ein wenig überrascht das Gesicht. Elin versuchte, aus den Augenwinkeln die Situation auf der Straße zu erfassen. War jemand stehen geblieben? Kam ihr jemand zu Hilfe? Nein. Bis jetzt war offenbar niemandem aufgefallen, was sich hier anbahnte. Oder es wollte niemandem auffallen. Sie nahm all ihren Mut zusammen und schaute dem Anführer fest in die Augen. Der schlug einfach zu. Sie stürzte samt Fahrrad auf den Gehsteig.
    »Lass mal, Hein. Ich kenn die. Ist aus der Kiezoase«, hörte sie eine Stimme.
    »Auch das noch. So ’ne Sozialfotze.« Sie wandte den Kopf. Ein Stiefel traf mit voller Wucht ein paar Zentimeter neben ihrem Kopf die Speichen ihres Vorderrades und brach mehrere davon einfach heraus. Elin spürte Blut im Mund. Ihre ganze rechte Gesichtshälfte schien lichterloh zu brennen. Ein paar Meter entfernt entdeckte sie einen überfüllten Glascontainer. Es standen genügend Flaschen davor herum. Die beiden Sektflaschen könnte sie vielleicht erreichen.
    »Lasst sie in Ruhe.«
    Mirat? Wo kam der denn plötzlich her?
    Sie richtete sich halb auf. Er stand direkt hinter den Skinheads. Eine gespannte Steinschleuder zielte auf den Kopf des Anführers.
    »He. Mach keinen Quatsch, Alter«, sagte der, trat jedoch ein paar Schritte zurück. Die anderen drei folgten.
    »Mehr Abstand«, fauchte Mirat.
    Die vier rührten sich nicht. Mirat zielte auf die Flaschen neben dem Container und schoss. Die Wirkung war kolossal. Die Ladung durchschlug nicht nur die Flaschen und zerpulverte sie regelrecht. Mit einem lauten Knall riss sie auch noch ein faustgroßes Loch in den Container hinein. Mit einem raschen Griff in die Hosentasche lud Mirat seine Zwille erneut, spannte und zielte auf die Beine der Skins.
    »Abgang. Ich zähle bis drei.«
    Aber das war nicht nötig. Die Skins machten, dass sie wegkamen.
    Mirat half Elin auf.
    »Los. Schnell weg hier.«
    Elin erhob sich und rieb sich mit dem Handrücken das Blut vom Mund ab.
     
    »Hein ist ein Arschloch. Aber nicht wirklich gefährlich«, sagte Jojo, während er Elin Arnikasalbe auf die Backe schmierte.
    »Schön«, erwiderte sie tonlos.
    Mirat stand mit verschränkten Armen am Kühlschrank und schaute zu.
    »Hat dich jemand schießen sehen?«, fragte Jojo.
    Mirat zuckte mit den Schultern.
    »
Das
ist dein Problem?«, fragte Elin. »Ob jemand Mirat gesehen hat? Ich denke, wer Mirat gesehen hat, hat auch diese vier Primaten gesehen, die mich grundlos angegriffen haben.«
    »Kann sein. Aber Waffenbesitz ist kein Spaß. Du lässt die Schleuder hier, Mirat.«
    Jojo schraubte die Tube zu, wischte seine Hände ab, warf seinen Kopf herum, um seinen Pferdeschwanz, der ihm über die Brust gefallen war, wieder auf den Rücken zu befördern, und stand auf.
    »Los. Her damit.«
    Mirat machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
    »Also, dann erzähl du mir, was passiert ist«, sagte Jojo.
    »Hab ich doch schon«, antwortete Elin trotzig. »Sie hatten einfach Lust auf Prügeln. Ich habe

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