Torso
Schultern.
»Ich kann Ihnen nur Informationen liefern. Schlüsse müssen Sie selbst ziehen.«
»Dieser Zollanger ist der Chefermittler in der Torso-Geschichte«, sagte Zieten. »Vielleicht … vielleicht war er einfach schneller als Sie?«
Aivars schüttelte den Kopf. »Warum steht dann kein Sterbenswörtchen von diesem wichtigen Zusammenhang in seinem Ermittlungsbericht? Der Mann weiß doch nicht erst seit gestern Morgen, dass es diese Verbindung gibt.«
Zietens legte die Handflächen gegeneinander, ging mehrmals auf und ab und sagte kein Wort.
»Sie meinen also, dieser Hauptkommissar steckt hinter all dem Irrsinn? Warum? Das ist doch absurd.«
»Ich weiß nicht, was für eine Rolle Herr Zollanger in dieser Sache spielt«, sagte Aivars und betrachtete die Fingernägel seiner linken Hand. »Sie wissen nun, dass der Chefermittler der Mordkommission äußerst wichtige, fallrelevante Informationen zurückhält. Das ist merkwürdig. Wissen Sie etwas über diesen Mann? Hatten Sie schon einmal etwas mit ihm zu tun?«
»Nein«, antwortete Zieten schroff, bemüht, die Fassung zu bewahren. In seinem Kopf herrschte völliger Aufruhr. Zollanger? Ein Hauptkommissar? Was hatte er mit diesem Polizisten zu schaffen? Nichts. Gar nichts. Sein Verstand lief auf Hochtouren, aber er produzierte nur Herzklopfen.
Sein Handy klingelte.
»Warten Sie bitte einen Augenblick«, sagte Zieten. Er ging in den Nebenraum und griff zum Telefon.
»Hajo. Hier ist Jochen. Wir haben das Ergebnis.«
»Und?«
»Es sind Ingas Haare.«
Zietens Knie wurden weich. Er setzte sich, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schluckte.
»Ich muss die Mordkommission informieren. Ich kann das nicht länger für mich behalten.«
»Das tust du nicht. Auf keinen Fall.«
»Hajo, ich muss …«
»Ich rufe dich gleich zurück«, schnitt er ihm das Wort ab.
Aivars musterte ihn, als er zurückkam.
»Schlechte Nachrichten? Sie sehen sehr blass aus, Herr Zieten.«
»Hören Sie zu«, sagte Zieten. »Ich weiß nicht, was Marquardt, Sedlazek und Sie mit diesem Hilger gemacht haben … nein, sagen Sie gar nichts. Dafür ist jetzt keine Zeit. Was auch immer geschehen ist: Sie drei haben etwas Entsetzliches in Gang gesetzt. Etwas Grauenvolles, absolut Widerwärtiges. Sie müssen mir helfen, dieses Monstrum zu stoppen.«
»Ist das ein Auftrag?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Sie haben in ein paar Stunden Dinge herausgefunden, wozu die Polizei vermutlich Wochen gebraucht hätte, wenn sie überhaupt darauf gekommen wäre. Und wenn Sie mit Ihrer Vermutung Recht haben, ist die Polizei sowieso nutzlos. Ich habe keine Zeit, verstehen Sie? Also, was schlagen Sie vor? Was soll ich tun?«
»Herr Zieten, ich fürchte, es bleibt Ihnen nicht viel anderes übrig, als sich etwas mit Herrn Zollanger zu beschäftigen.«
»Und wie soll ich das machen?«
»Ganz einfach. Ich besuche ihn und schaue nach, was er sonst noch so alles liest.«
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41
D er Hof, wo die Ziege verschwunden ist, liegt vierzig Kilometer südöstlich von Cottbus«, begann Findeisen seinen Bericht und deutete dabei auf eine Karte, die der Beamer an die Wand projizierte. »Es ist weit und breit der einzige Hof, der diese Ziegenart hält. Das Tier wurde vor sechs Tagen als gestohlen gemeldet.«
Findeisen drückte eine Taste auf dem Laptop und ließ ein paar Fotos des Hofes auf der Leinwand erscheinen. Niemand kommentierte die Ansichten. Es waren Aufnahmen der Gebäude, triste Stallungen mit Dächern aus gewellten Asbestplatten. Die Muttertiere und Lämmer in den Ställen hatten weiße Augen vom Blitz des Fotoapparates.
»Wie viele Tiere haben die dort?«, fragte Zollanger.
»Dreiundsechzig«, antwortete Günther Brodt.
»Und sie merken es tatsächlich, wenn eines fehlt?«
»Ja.«
»Vor sechs Tagen, das heißt, das Tier wurde am vergangenen Mittwoch gestohlen.«
»Genau. Und zwar zwischen neun und vierzehn Uhr. Da waren die Tiere auf einer umzäunten Koppel, wo sie eigentlich nicht heraus können. Das Grundstück grenzt an einer Stelle an einen Wald an. Dort sind Fahrzeugspuren gefunden worden. Vermutlich hat der Dieb das Tier irgendwie an den Zaun gelockt, einen der querliegenden Balken zur Seite geschoben und es dann einfach mitgenommen.«
»So einfach geht das?«, fragte Sina.
»Die Gegend ist ziemlich menschenleer«, erklärte Günther Brodt. »Die Bauern haben kaum Vorkehrungen gegen Tierdiebstahl getroffen.«
»Haben die Kollegen aus Cottbus etwas unternommen?«
»Eine ganze
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