Torso
Menge. Sie haben einen Abdruck von den Reifenspuren genommen. Der Reifenbreite nach zu schließen, muss es ein Transporter gewesen sein. Sie haben in der Gegend herumgefragt, ob jemandem ein solcher Wagen aufgefallen ist. Zwei Personen haben am letzten Mittwoch einen Sprinter mit Hamburger Nummer bemerkt. Der eine Zeuge hat das Fahrzeug in Jerischke stehen sehen. Der andere in Zelz.«
»Zelz?«, meldete sich Brenner, der bisher noch nichts gesagt hatte. »An der polnischen Grenze?«
Alle Köpfe drehten sich zu Brenner.
»Habe ich da etwas verpasst?«, fragte Krawczik. »Muss man Zelz kennen?«
»Ja. Wenn man sich für Menschenhandel interessiert«, sagte Brenner. »Die Gegend ist berüchtigt. Zelz. Z ̇arki Wielkie. Runter bis fast nach Bad Muskau. Die Grenze ist eine Katastrophe. Dreißig Kilometer unübersichtliches Gelände und kaum Kontrollen. Dazu fast keine Koordinierung mit den Kollegen in Polen. Bleibt nur zu hoffen, dass Polen bald in die EU kommt und die Polizeizusammenarbeit endlich besser geregelt wird.«
»Könntest du das etwas genauer ausführen?«, forderte ihn Krawczik auf.
Udo Brenner schaute zu Findeisen. »Harald hat sicher aktuellere Infos, oder?«
»Udo hat recht. Die Kripo in Cottbus hat viel Ärger dort unten. Immer wieder werden Leute aufgegriffen. Bisweilen taucht auch eine Leiche auf. Fast immer junge Frauen.«
Jetzt wurden alle hellhörig. Sina sprach zuerst.
»Du meinst also, eine Schlepperbande exekutiert eines ihrer Opfer, bringt es über die Grenze, nimmt auf dem Weg nach Berlin noch rasch eine Ziege mit und stellt das verstümmelte Opfer in einem abrissreifen Plattenbau aus?«
»Nein. Das scheint uns auch wenig wahrscheinlich«, verteidigte sich Findeisen. »Aber wir können nicht ausschließen, dass der Torso und die Ziege aus derselben Gegend stammen und der Täter daher vielleicht auch.«
»Wann ist die letzte Leiche dort gefunden worden?«, fragte Zollanger.
»Im April« antwortete Draeger. »Und davor im Januar.«
»Also zwei dieses Jahr?«
»Ja.«
»Und auf polnischer Seite?«
»Das wissen wir nicht.«
»Haben die Kollegen in Cottbus denn gar keinen Kontakt mit den Polen?«, bohrte Zollanger weiter.
»Doch. Aber wie gesagt, keinen besonders guten. Und die Polen haben andere Prioritäten.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann sprach Zollanger: »Was habt ihr sonst noch herausgefunden?«
Findeisen schaltete den Laptop aus und drückte auf einen Knopf auf dem Tisch. Die Leinwand fuhr langsam nach oben und verschwand in einem Kasten.
»Das war das Wichtigste. Aber wie wir gehört haben, ist hier Torso Nummer drei aufgetaucht?«
Zollanger ignorierte ihn und wandte sich an Draeger.
»Roland, was ist mit dem Nummernschild von dem Transporter, den wir auf dem Video haben. Irgendwelche Fortschritte?«
»Noch nichts«, sagte Roland Draeger. »Frieser muss die Daten anfordern. Die Mietwagenfirma hat mir nicht einmal gesagt, wo der Wagen angemietet wurde oder welches Modell es ist.«
Zollanger nickte. Das war normal.
»Was ist mit dem Band?«, fragte Krawczik. »Wann kommt es aus der Technik zurück? Je schneller wir das Täterfoto haben …«
»Nicht vor morgen früh«, unterbrach ihn Zollanger. »Was machen wir bis dahin? Hat jemand eine Idee?«
Findeisen meldete sich: »Wir sollten die Laborergebnisse, die Weyrich bisher geschickt hat, nach Cottbus weiterleiten. Oder gleich an die polnischen Stellen in diesem Grenzabschnitt. Wenn die Leiche aus der Gegend ist, haben die vielleicht irgendwelche Daten.«
»Ich gehe zur Technik und mache denen Dampf wegen des Videos«, sagte Krawczik erbost. »Das kann doch nicht bis morgen dauern.«
Zollanger erhob sich. »Wir machen jetzt erst einmal Mittagspause. Wir haben alle einen ziemlich anstrengenden Einsatz hinter uns, und wie es aussieht, sind wir ein ganzes Stück weiter.«
Er erhob sich und verließ den Raum. Ohne sich umzusehen, eilte er auf den Flur hinaus, fuhr ein Stockwerk tiefer und suchte die Toilettenräume auf. Wie er gehofft hatte, war hier niemand. Er ging ans erstbeste Waschbecken, öffnete den Hahn, ließ das kalte Wasser in seine Handflächen laufen und schlug sich dann mehrere Ladungen davon ins Gesicht. Die Kälte tat ihm wohl. Er hätte es keine Sekunde länger dort oben ausgehalten. Sein Herz klopfte wie rasend. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, aber es gelang ihm nicht. Er befühlte das Videoband in seiner Tasche. Frieser spielte mit verdeckten Karten. Für wen hatte er die
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