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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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jüdische Einwanderer:
Trinken Sie kein Wasser aus der Leitung und putzen Sie sich keinesfalls die Zähne damit, wenn Sie nicht Typhus bekommen wollen.
Trinken Sie keine Milch und essen Sie kein frisches Obst oder Gemüse.
Machen Sie einen weiten Bogen um die japanischen Wachen an den Checkpoints.
Gehen Sie nicht in die chinesische Altstadt oder in den japanischen Sektor von Hongkou.
Tragen Sie keine Wertsachen bei sich und trauen Sie niemals der Polizei.
Gehen Sie nicht ohne Tropenhelm in die Sonne. Tragen Sie ein dünnes Handtuch um den Hals, das den Schweiß absorbiert und vor Frieselausschlag schützt. Wenn Sie von Moskitos gestochen werden, bekommen Sie Malaria, beißt Sie ein Floh, der von einer toten Ratte stammt, droht die Pest.
     
    »Mein Gott, wo sind wir denn hier gelandet«, stöhnte Frau Finkelstein, als er zu Ende war.
    »Offenbar genau da, wo man nicht hinsoll: im japanischen Sektor von Hongkou«, schaltete sich Inge ein. »Aber einen Sonnenstich und Frieselausschlag können wir um diese Jahreszeit schon mal nicht kriegen.«
    Das Wort Frieselausschlag gefiel ihr, auch wenn sie die Sache selbst lieber nicht ausprobieren wollte.
    Der Vater schwieg.
    ***
    »Hier bleiben wir nicht, auf gar keinen Fall«, verkündete Inges Mutter, als sie am nächsten Morgen mit der Zahnbürste aus dem Waschraum zurückkehrte. Ihre zusammengekniffenen Lippen und das vorgeschobene Kinn machten deutlich, dass sie es ernst meinte. Bei Marianne Finkelstein war es die Hygiene, die sie an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit brachte.
    Inge lag in ihre dünne Wolldecke gewickelt auf der Pritsche und weigerte sich, wach zu werden. Sehnlich wünschte sie sich zurück in ihre schwimmende Ankleidekammer. Sie hatte lange nicht einschlafen können in diesem Saal, der erfüllt war von den Geräuschen und Gerüchen so vieler fremder Erwachsener.
    »Wo sollen wir denn hin?« Das war wieder der Vater.
    »Als Erstes tausche ich unser Geld um. Für zehn Reichsmark kriegt man sieben U S-Dollar . Das hat mir gestern eine Frau in der Warteschlange gesagt. Damit kommt man, in chinesisches Geld umgerechnet, ziemlich weit, meinte sie. Und als Nächstes müssenwir an die Anlegestelle zurück. Gestern hab ich dort Leute stehen sehen, die nach Arbeitskräften Ausschau hielten. Einer hatte ein Schild ›Konditor gesucht‹. Und dann haben wir ja noch die Gundel.«
    Typisch, dachte Inge nicht ohne Stolz. Kaum steht sie in der Schlange an, schon weiß sie, wo’s langgeht. Und natürlich wollte Inge die Mutter nicht alleine losziehen lassen, egal wohin. Plötzlich war sie hellwach.
    »Ich komme mit!«
    »Es ist aber nur sinnvoll, an die Anlegestelle zu gehen, wenn dort gerade ein Schiff aus Europa ankommt«, gab Herr Finkelstein zu bedenken. »Auf diesem Merkblatt, das ich euch gestern vorgelesen habe, stand doch eine Adresse.« Er zog den zerknüllten Zettel aus der Tasche. »Hier: ›Committee for the Assistance of European Jewish Refugees in Shanghai. Auskunft jeder Art wird im Büro des Komitees 1, South Tiandong Road (Embankment Building) erteilt. Zentralregistrierung sämtlicher Emigranten, Berufsberatung und Arbeitsvermittlung, Organisation englischer Sprachkurse für Erwachsene, Beratung in Umschulungsfragen von Kindern. Sprechstunden 9 bis 12   Uhr (außer Samstag, Sonntag und Feiertag).‹«
    »Stimmt, da sollten wir zuerst hingehen. Und du kommst mit, wegen der Schule«, sagte Frau Finkelstein mit einem Seitenblick auf Inge. »Was ist heute eigentlich für ein Wochentag? Ich bin völlig aus der Zeit gefallen.«
    »Jedenfalls nicht Wochenende. Da waren wir noch in Hongkong«, erwiderte der Vater.
    »Also, dann ab mit dir zur Morgentoilette, Entlein.Auch ein Schanghaier Schulkind muss sich hinter den Ohren waschen.«
    Die Aussicht auf eine Schule, wo sie niemanden kannte und wo der Unterricht womöglich in einer fremden Sprache abgehalten wurde, erschien Inge gar nicht verlockend. Andererseits brannte sie darauf, zu sehen, wie es außerhalb des Heims aussah. Mit Zahnbürste und Handtuch machte sie sich auf den Weg über den Hof zu einer kleinen Baracke. Mehr als eine Katzenwäsche war in dem Gemeinschaftsbad, wo Frauen und Mädchen sich mit kaltem Wasser an einer Rinne aus blankem Beton wuschen, sowieso nicht drin.
    Als Inge vor der Waschrinne stand, sah sie sich suchend nach einem Stück Seife um.
    »Hier, nimm meine«, half eine junge Frau ihr aus. »Seife muss man hier selbst mitbringen.«
    Inge dankte schüchtern.
    Das Frühstück an der

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