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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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schier verzweifeln, bis die Mutter endlich fertig war, dabei waren es doch bloß ein paar Schritte bis zur Markthalle. Fest untergehakt manövrierte Inge die Mutter über den Fahrdamm. Selbst nach Monaten hatte sie sich noch nicht an den Linksverkehr gewöhnt.
    Am Eingang, wo all die Essstände ihre mundwässernde Ware feilboten, zog die Mutter dann prompt ihr Taschentuch aus der Handtasche und hielt es sich vor die Nase. Inge war das unendlich peinlich. Dabeiwaren sie ja noch gar nicht in der oberen Etage, wo lebende Hühner und rohes Fleisch   – von Fliegen umschwirrt   – verkauft wurden. Dort stank es nun wirklich; aber das würde sie ihrer Mutter ersparen, denn sonst würden die Finkelsteins vermutlich in Zukunft vegetarisch leben müssen.
    Im Parterre bei Obst und Gemüse kannte jeder das blonde Mädchen mit dem Einkaufsnetz, das feilschen konnte wie eine chinesische Hausangestellte.
    »
Lái, lái, lái «
, rief man ihr aus allen Ecken zu, doch Inge hatte bereits ihre
guānxi
entwickelt, gute Beziehungen zu einigen ausgesuchten Händlern. Sie zog die Mutter zu einem Stand mit unzähligen Gemüsesorten, hinter dem eine rotwangige Frau ihr fröhlich zuwinkte.
    »
Yātou, nĭ hǎo, ist das deine Mama? Hat sie Schnupfen, die Arme?«
    Inge bejahte erleichtert, dann deutete sie auf hellgrüne kugelige Gebilde und erklärte der Mutter:
    »Guck mal, Mama, das sind Rettiche. Die sind innen rot und heißen
xīnliměi
  – ›im Herzen schön‹. Ist das nicht toll? Sollen wir von denen welche nehmen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte Inge an dem Gemüse herum, um zu testen, ob es noch frisch war.
    »Nimm die Finger da weg«, zischte Frau Finkelstein ihrer Tochter zu. »Wenn das die Verkäuferin sieht.« Doch die gab lächelnd Ratschläge.
    »Das macht man hier so«, erwiderte Inge gelassen.
    »Also Rettiche.« Frau Finkelstein nickte gottergeben. Nur schnell wieder raus hier. Aber nun begannen die ausgedehnten Preisverhandlungen, die ihre Tochterin so fließendem Singsang führte, dass Frau Finkelstein aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Zum Glück verstand sie nichts, denn sie hätte sich in Grund und Boden geschämt.
    »
Das ist Wucher
«, klagte Inge in aller Freundschaft, nachdem die Händlerin den Preis genannt hatte,
»Willst du mich und meine Kinder in den Hungertod treiben?!
« Dieser Spruch, den Inge von einer chinesischen Amah übernommen hatte, wirkte aus dem Mund einer blonden Zehnjährigen immer. Und wenn sie dann noch mit unschuldigem Augenaufschlag hinzufügte: »
Gibst du sie mir billiger, wenn ich zwei kaufe?
«, konnte keiner widerstehen. Die Händler liebten dieses Spiel ebenso wie Inge. Ihre Mutter bekam von all dem nichts mit, sah nur, wie das Netz sich langsam füllte und Scheine und Münzen den Besitzer wechselten. Ein bisschen erschrocken, aber auch voller Bewunderung musste sie erkennen, dass ihre Tochter in dieser ihr so fremden Welt längst zu Hause war.
    »Ich wäre froh, wenn du in Zukunft den Einkauf wieder allein machen könntest. Du kennst dich doch schon so gut aus«, sagte sie zu ihrer Tochter, als sie wieder im Hinterhaus angekommen waren.
    »Kein Problem«, erwiderte Inge. Ihr war klar gewesen, dass es darauf hinauslaufen würde, aber ein wenig Anerkennung konnte schließlich nicht schaden.
     
    Die Mausefalle war natürlich auf Dauer keine Lösung, und Inge bangte jeden Morgen, was sie darin finden würde. Das musste anders geregelt werden. Und Inge hatte auch schon eine Idee.
    »Sag mal, Sanmao, könnten wir nicht eine Katze gegen die Mäuseplage halten? Meine Mutter dreht sonst noch völlig durch. Die kann nachts kaum schlafen, weil sie’s überall rascheln hört. Und dann ist sie am Morgen immer besonders unausstehlich.«
    »Hmm, gute Idee. Meine Eltern hätten sicher nichts dagegen. Aber wir müssen überlegen, wo wir einen guten Mäusejäger herkriegen. Da werde ich am besten meine
guānxi
einschalten.«
    Wenn es um
guānxi
ging, war Sanmao ganz Chinese. Auch er hatte ein solches Netzwerk aus guten Beziehungen, das man durch gegenseitige Gefälligkeiten knüpfte und pflegte. Offenbar waren die Chinesen darin genauso gut wie die Juden. Inge fand es zwar ein bisschen albern, wenn Sanmao so großspurig daherredete, aber nützlich waren solche Verbindungen schon, vor allem, wenn er sie für ihre Belange einsetzte. Hoffentlich würden sie sich auch in Sachen Katze als nützlich erweisen. Die Eltern hatte sie in ihren Plan nicht eingeweiht. Warum Pferde scheu machen

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