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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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immer die besten Fressstände, das musst du dir merken, Entenkopf.«
    »Gut zu wissen.« Zum Essen ließ Inge sich niemals lange bitten. Endlich bekam sie Gelegenheit, die Garküchen auszuprobieren, die ihr schon bei ihrem ersten Gang durch Hongkou den Mund gewässert hatten. Und noch dazu unter sachkundiger Führung; allein hätte sie sich das vielleicht doch nicht getraut.
    Sie verließen den Tempelhof durch einen Nebeneingang und standen in einer Gasse, in der sich eine Imbissbude an die andere reihte. Köstliche Düfte stiegen Inge in die Nase, ihr Blick wanderte über die Fülle des köstlichen Angebots. Doch Sanmao schob sie zielsicher weiter. Plötzlich drang ihr ein stechender Geruch in die Nase. »Igitt, was stinkt denn hier so?« Wenn Inge nicht gewusst hätte, dass es in China keinen Käse gab, hätte sie auf reifen Romadur getippt.
    »Das ist
chòu dòufu
– stinkender Tofu.«
    »Und so was isst man?«
    »Klar, ihr esst doch auch vergorene Milch. Und das hier ist aus vergorener Sojamilch gemacht.« Er hatte bereits eine Portion der kleinen weißen, in Öl ausgebratenen Würfel gekauft und löffelte großzügig scharfe rote Soße darüber. Dann reichte er ihr einen Holzsticker.
    »Schmeckt besser, als es riecht«, versprach er.
    Inge zögerte, dann begriff sie, dass das eine Art Mutprobe war, vor der ein furchtloser Erkunder nicht zurückschrecken durfte. Nase zu und durch! Immerhin waren es keine Regenwürmer, die sie essen musste. Vorsichtig biss sie in einen der weichen Würfel und versuchte dabei, ihren Geruchssinn auszuschalten. Was ihr die Geschmacksnerven meldeten, war gar nicht so unangenehm. Der leicht nussige Geschmack des Tofu mischte sich auf Beste mit der prickelnden Schärfe der Peperoni. Sanmao verfolgte gespannt jede Veränderung ihrer Gesichtszüge: von der angeekelt kraus gezogenen Nase,über das prüfende Kauen bis zum entspannten Lächeln.
    »Nicht schlecht«, kommentierte Inge. »Da kann man sich dran gewöhnen. Scheinbar hat jedes Volk seinen Romadur.« Dann stach sie mit ihrem Sticker ein zweites Mal zu, und bald darauf hatten sie ihre Portion gemeinsam verputzt.

Komm Glück
    Februar 1939   – Jahr des Tigers
    虎
    Von ihrem Ausflug zum Tempel zurückgekehrt, wurde sie schon auf der Treppe von hysterischen Schreien empfangen: »Inge, Inge, eine Ratte!« Frau Finkelstein kauerte völlig aufgelöst und mit angezogenen Beinen auf dem Schlafsofa.
    Inge blickte in die Richtung, in die ihre Mutter deutete. Vor der Kommode hatte sie eine Barrikade aus sämtlichen Koffern errichtet. »Da! Da unten sitzt sie.«
    Inge ließ sich auf die Knie nieder und spähte unter das Möbelstück.
    »Aber Mama, das ist doch nur ein niedliches kleines Mäuslein. Wahrscheinlich hat es früher zwischen den Mehlsäcken gehaust, und wir haben es aus seinem Schlaraffenland vertrieben.«
    »Inge, was soll das«, empörte sich die Mutter. »Das sind Überträger von gefährlichen Krankheitserregern, die überall ihren Kot hinterlassen! Überhaupt ist alles so unhygienisch hier. Hast du die Kakerlaken in der Toilette gesehen?«
    Wie hätte Inge diese widerlichen Insekten übersehen können, die in dunkle Ecken davonstoben, sobald man Licht machte. Inge hatte sich immer an dem klangvollen Wort »Kakerlake« erfreut, das aufdem Schiff regelmäßig in den Gesprächen der Erwachsenen auftauchte   – aber nur so lange, bis sie ihr erstes lebendes Exemplar zu Gesicht bekam. Die braunen, fast fingerlangen Insekten mit den tastenden Fühlern und glänzend braunen Flügeln waren wirklich widerlich und dabei echte Überlebenskünstler. Auf ihren sechs Beinen stets fluchtbereit, hatte die Natur sie mit einem sicheren Instinkt dafür ausgestattet, aus welcher Richtung gleich ein Schuh auf sie niedersausen würde   – und flohen in die entgegengesetzte. Sie waren kaum zu erwischen und konnten sich im Notfall sogar in die Luft erheben. Erwischte man sie tatsächlich einmal, so war das kein wirklicher Triumph; denn dann hatte man ihren zermatschten, stinkenden Kadaver an der Sohle kleben und wusste nicht, wohin damit. Aber jetzt galt es erst einmal, die Mutter zu beruhigen.
    »Mama, das ist wirklich nur eine winzige Maus und keine Ratte. Die heißen hier zwar alle
lǎoshǔ
– ›alte Ratte‹, aber sie sind viel kleiner als Ratten bei uns.«
    »Hör mit deinen altklugen chinesischen Sprüchen auf und schaff mir dieses Tier vom Hals.« Frau Finkelstein wurde immer hysterischer. »Du kannst ja gar nicht ermessen, was es

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