Tortengraeber
wußte – zu einigen Gehässigkeiten gegen das Wienerische und Österreichische an sich, führte aber auch dazu, daß das Magazin der Frankfurter Allgemeinen den Professor Hufeland bat, ihren sogenannten Fragebogen auszufüllen. Ein Ansuchen, das Hufeland natürlich ablehnte. Eine derartige Selbstdarstellung, auch wenn sie bloß spaßig gemeint war, hätte er für riskant gehalten. Allerdings gönnte er sich das Vergnügen, die Fragen dennoch zu beantworten und den ausgefüllten Bogen in einem Geheimfach verschwinden zu lassen, welches sich übrigens weder in seinem Büro noch in seiner Wohnung befand, sondern in einer öffentlichen Bücherei. Jawohl, Herr Professor Hufeland bewahrte sämtliche brisanten Unterlagen zwischen den Seiten von Bibliotheksbüchern auf, die kein Mensch mehr ausborgte, außer eben Hufeland, der dies oft genug tat, so daß die Werke nicht aus dem Bestand genommen wurden. Unterlagen, mit denen man die österreichische Justiz und andere Schwergewichtler aus den Angeln hätte heben können. All das stand quasi zur allgemeinen Einsichtnahme zur Verfügung. Doch es waren absolut sichere Verstecke, derer sich Hufeland bediente.
Unter diesen Papieren sollte sehr viel später auch jener Fragebogen auftauchen, der nun, an dieser Stelle publiziert, ein klein wenig die Person Hufeland erhellen soll:
Was ist für Sie das größte Unglück?
Eine Gesellschaft von intelligenten, integren Menschen.
Wo möchten Sie leben?
Überall auf der Welt im Speck und im Gerichtssaal.
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Allein sein. Also essen können, ohne reden zu müssen.
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Geburtsfehler.
Ihre liebsten Romanhelden?
Walter Faber.
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Der erste Kerl, der den Mund aufmachte, um zu lügen.
Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?
Rechtsanwältinnen, die Richterinnen den Garaus machen. Und umgekehrt.
Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung?
Alle Frauen mit dem Vornamen Alice – Alice Adams, Alice im Wunderland, Tiny Alice usw.
Ihr Lieblingsmaler?
Géricault.
Ihr Lieblingskomponist?
Bach, Josef Matthias Hauer.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?
Daß er selten in Gesellschaft zu heulen beginnt.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
Listigkeit, auch in Momenten größter Verzweiflung.
Ihre Lieblingstugend?
Appetit.
Ihre Lieblingsbeschäftigung?
In den Zoo gehen und in die Konditorei.
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Leibarzt von Ludwig II.
Ihr Hauptcharakterzug?
Beherrschung, auch Selbstbeherrschung. Kontrollierter Wagemut.
Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
Ihre Erpreßbarkeit.
Ihr größter Fehler?
Meine Erpreßbarkeit.
Ihr Traum vom Glück?
Ich träume nicht.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Im Spital zu sterben.
Was möchten Sie sein?
Jünger. Gewitzter. Rücksichtsloser.
Ihre Lieblingsfarbe?
Tarnfarbe.
Ihre Lieblingsblume?
Natürlich die eines Buketts.
Ihr Lieblingsvogel?
Kolibri.
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Shakespeare.
Ihr Lieblingslyriker?
Rimbaud, George.
Ihre Helden in der Wirklichkeit?
Menschen im Taxi.
Ihre Heldinnen in der Geschichte?
Alle wirklichen Köchinnen.
Ihre Lieblingsnamen?
Ezra, Elena.
Was verabscheuen Sie am meisten?
Körpergeruch. Ängstlichkeit.
Welche geschichtlichen Gestalten verachten Sie am meisten?
Die inkonsequenten.
Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?
Überfälle, die als etwas anderes verkauft werden.
Welche Reform bewundern Sie am meisten?
Die Gegenreformation.
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Im Dunkeln sehen.
Wie möchten Sie sterben?
Exklusiv.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Lustvoll, dennoch (gerade darum) wachsam.
Ihr Motto?
Auf die Schärfe der Klinge kommt es an.
Eine interessante Frage ist natürlich, ob der Chefredakteur diesen Fragebogen abgedruckt hätte.
Aus den Akten war Cerny auch der Name Vavras vertraut, jenes unglücklichen Nahrungsmittelchemikers, der in der Geschichte aufgetaucht war wie ein Badmintonschläger in einem Eishockeyspiel. Daß sich Hufeland, dessen freundschaftliche Kontakte zu den Hafners Cerny bekannt waren, für den vom Himmel gefallenen Wurm Vavra interessierte, war eine Recherche wert.
Zuvor aber wollte sich Cerny die Kellerwohnung in der Taubenhofgasse ansehen. Wer auch immer Sarah Hafner dort hingebracht hatte, war so unkorrekt vorgegangen, die seit Monaten
Weitere Kostenlose Bücher