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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Kraftmensch mit seinen Steinmetzhänden und einer vergleichsweise gesunden Lunge, war er als einziger prädestiniert, das Grab auch zuzuschütten. Das war seine Arbeit, aus der Hufeland ihn nicht entlassen konnte. Gähnmaul schaufelte mit Tränen in den Augen. Tränen der Wut. Die anderen Herren standen daneben, würdevoll, die gekreuzten Hände auf den Unterleibern ruhend, wie Fußballer, die angesichts eines Strafstoßes eine Mauer bilden. Die Mutter befand sich weiter hinten, uneinsichtig hinter großer Sonnenbrille, in einem schwarzen Hosenanzug – wenn man so will, ein Schiedsrichter am Rande des Feldes.
    Auch wenn kaum jemand sich zuletzt für die widerspenstige und unzugängliche Fünfzehnjährige interessiert hatte, irgendwann würde ihre ständige Absenz auffallen: ein Geburtstag, der zu feiern war, Familienfeste, wohlerzogene Schulfreundinnen, die nach Sarah sehen wollten, dann all die Gäste des Hauses, Persönlichkeiten, die häufig bei Hafners verkehrten und sich hin und wieder nach der Tochter erkundigten. Unwahrscheinlich zwar, daß ein schrecklicher Verdacht sich auftat, aber in einem Land, dessen Bürokratie trotz mahnender Worte der Experten sich internationalen Standards versperrte, also in der Hauptsache weder von Computern gesteuert noch von Interessengruppen dominiert, sondern schlichtweg von den göttlichen Größen Zufall und Irrtum bestimmt wurde, waren auch die Mächtigen und Einflußreichen nicht davor gefeit, ein Opfer des Rechtsstaates zu werden. Was sie in Verkennung der Tatsachen dann als Verschwörung begriffen. In einem solchen Land also war es angeraten, sich weniger auf die allgemeine Schlamperei zu verlassen, als sie zu fürchten. Und auf Nummer Sicher zu gehen, soweit dies möglich war. Weshalb die Idee einer fingierten Entführung sich aufdrängte und Birgitta Hafner ihren Freund Hufeland beauftragte, die Sache in die Hand zu nehmen.
    Das tote Mädchen, das man dann in der Taubenhofgasse gefunden hatte, war irgendeines von den rechtlosen Geschöpfen gewesen, die man sich auf dieser Welt – besaß man die Kontakte – ohne große Schwierigkeiten besorgen konnte. Hufeland war, Gott bewahre, kein Mörder. Als er das Mädchen übernahm, war es bereits tot gewesen, verhungert wie bestellt. Es gab Menschen, die verscherbelten geradezu ihre Kinder, in jeder Form, zu allen Zwecken. Tatsächlich besaß die Tote eine große Ähnlichkeit mit der Hafnertochter – Zwillingsleichen. Sie wurde in ein Kleid Sarahs gepackt und in einem Stammersdorfer Weinkeller abgelegt. Wiese, wieder einmal in der Rolle des Rechtsanwaltes Grisebach, seiner liebsten Zweitpersönlichkeit, kontaktierte daraufhin ein von Hufeland ausgewähltes ehemaliges Hufelandopfer namens Wedekind, einen gerade erst entlassenen Kleinkriminellen, der wenig bis nichts zu verlieren hatte und sich gegen Bezahlung bereit erklärte, die Anrufe, die eine Entführung vorspiegeln sollten, zu tätigen. Grisebach notierte die Hafnersche Geheimnummer auf einem Zwanzig-Schilling-Schein, welchen er auch noch ein wenig verzierte. Den Schein wollte er später, zusammen mit der schlechteren Hälfte eines Brillantenpaares, an Wedekind aushändigen. Doch als er dann in der Dunkelheit einer Donaukanalbrücke den bekritzelten Geldschein nicht fand, gab er die Nummer mündlich weiter. Tage danach befand sich der beschriftete Zwanziger, dessen »Bemalung« Wiese längst vergessen hatte, unter jenen Scheinen, mit denen er in der Bäckerei Lukas seine Rechnung bezahlte. Und solcherart begann sich Konfusion in dieser an sich einfachen Geschichte auszubreiten. Denn eigentlich hatte die Lukasrunde geplant, Wedekind, der ja bloß einen gewissen Grisebach kannte, ans Messer zu liefern. Die Polizei war verständigt, eine Fangschaltung gelegt, die Leiche des Mädchens mit DNA -Fragmenten Wedekinds versehen worden, alles schien seinen geordneten Lauf zu nehmen, da tappte, eine halbe Stunde bevor Wedekind seinen – dann sinnlosen – Anruf tätigte, der Nahrungsmittelchemiker Klaus Vavra in die Falle, in die er nicht gehörte, und wurde durchaus fachgerecht in die Obhut von Verhörspezialisten überführt, wo er aber die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte. Weshalb Hufeland aus der Not eine Tugend zu machen versuchte, Wedekind aus dem Spiel nahm und Anwalt Grisebach zu Vavra schickte, um dessen Schuldbewußtsein zu erwecken – denn jeder Verhaftete verfügt naturgemäß über ein solches. Und wie es schien, hatte Grisebach Überzeugungsarbeit

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