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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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Nur dass Melanie nicht bei der Interflug, sondern irgendwo in der Pampa drum herum auf mich wartete.
    Geht’s nicht genauer, hatte ich sie gefragt, worauf sie von Flugzeugen sprach, die so tief flögen, dass ihr ganz schlecht würde. Ansonsten gebe es nur Wald und Felder und den brennenden Bauernhof, von dem sie gerade anrufe. Nein, sie wisse die Adresse nicht, und es sei auch niemand da, den sie fragen könne.
    Tiefflieger also. Ich konzentriere mich anhand der Straßenkarte auf die Gegend in der Einflugschneise des Flughafens und fahre sie nach und nach ab. Irgendwo muss doch dieser brennende Bauernhof sein. So ein Feuer muss weithin zu sehen sein. Immer wieder stoppe ich auf einsamen Straßen, rufe nach Melanie, lausche in die verregnete Nacht hinein.
    Nichts.
    Oder doch? Manchmal bilde ich mir ein, ihre Stimme zu hören, aber es ist immer nur das Wispern des Regens in hohen Bäumen, das Gluckern und Tropfen des Wassers auf dem Asphalt.
    Wie lange bin ich schon unterwegs? Keine Ahnung. Aber ich werde sie finden. Ganz bestimmt finde ich sie.
    Plötzlich gleißendes Licht über mir und ein fauchendes, immer lauter werdendes Dröhnen. Erschrocken sehe ich auf und gehe unwillkürlich in Deckung, denn über mir zieht ein riesiger Jumbojet vorbei, so knapp, dass ich meine, mit ausgestrecktem Arm das gigantische Fahrwerk berühren zu können. Melanie muss also ganz in der Nähe sein.
    Ich lege den Gang wieder ein und fahre langsam die düstere Landstraße entlang. Eine Weile lang geht es durch dichten Wald, aber so genau ist das nicht auszumachen. Wasser strömt über die Windschutzscheibe, und obwohl die Wischer auf der höchsten Stufe laufen, sehe ich kaum weiter als bis über die Kühlerhaube.
    U-Bootfahren kann nicht anstrengender sein.
    Die Straße beschreibt einen Bogen, der Wald scheint sich zu lichten, und endlich erscheint eine verschwommene Gestalt dicht vor meinem Auto, mit beiden Armen winkend.
    Ich trete auf die Bremse, dass es quietscht. Der Wagen steht, der Motor brummelt, die Scheibenwischer treten Wasser. Kurz darauf erscheint ein bleiches Gesicht hinter der Seitenscheibe. Gott sei Dank ist es Melanie. Hastig öffnet sie die Tür, sinkt patschnass auf den Beifahrersitz und fällt mir schluchzend um den Hals.
    »Vati, endlich …«
    Sie weint hilflos, ihr kleiner Körper bebt vor Angst und Kälte, und sie stinkt. Nicht nur nach Regen und Schlamm, sondern vor allem nach jeder Menge gerauchtem Gras. Ich streichle etwas verlegen über ihren schmalen Rücken.
    »Schon gut«, beruhige ich sie, obgleich ich befürchte, die Autositze nach dieser Tour austauschen zu müssen. »Alles ist gut. Ich bin ja da.« Melanie trieft so sehr, dass es die Polster völlig durchnässt. Sie zittert erbärmlich und schnieft bekümmert vor sich hin.
    »Du bist bekifft«, erkläre ich ihr leise, »da sehen die Dinge manchmal dramatischer aus, als sie sind. Aber wir kriegen das alles wieder hin.«
    Sie löst sich von mir und sieht mich unter feuchten Haarsträhnen heraus an. »Bist du mir böse?«
    Böse bin ich sowieso nie, denke ich, höchstens verärgert. Aber heute bin ich nicht mal das. Ich bin einfach nur erleichtert, dass ich meine Tochter wiederhabe. Sie sieht zwar furchtbar aus und hat offenbar ein massives Drogenproblem, aber sie lebt. Das ist die Hauptsache.
    Prüfend sehe ich sie an. »Wo brennt’s denn nun?«
    »Dahinten.« Sie deutet in irgendeine Richtung und wischt sich mit dem nassen Ärmel über das schmutzige Gesicht. »Plötzlich kam eine Kurve, aber das Auto fuhr geradeaus weiter. Und dann fielen wir in einen Graben.«
    »Wer?«
    »Na, Dark und ich.« Sie schüttelt sich. »Er hat geblutet, und ich wollte Hilfe holen«, schon fängt sie wieder an zu weinen, »aber da war nur der tote Mann«, und klammert sich erneut an mich.
    »Kein Problem, Schatz«, versichere ich und streiche ihr behutsam übers feuchte Haar, »absolut kein Problem. Das klärt sich alles, okay?«
    Melanie sieht mich hoffnungsvoll an. »Meinst du?«
    »Sicher«, nicke ich. Ich bin mir zwar absolut nicht sicher, aber ich muss das Kind irgendwie beruhigen und die Dinge in meinem Kopf ordnen.
    »Ihr seid in einen Graben gefallen?«
    Melanie nickt schlotternd.
    »Wo?«
    »Komm!« Melanie öffnet die Beifahrertür. »Ich zeig’s dir!«
    Wir steigen aus, und ich folge Melanie durch den Regen. Es geht ein Stück querfeldein, und nach wenigen Metern bin auch ich völlig durchnässt. Der Boden ist weich, mit jeden Schritt versinke ich bis über

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